Forscher simulieren Marsatmosphäre
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
20. Januar 2011
Im Vorfeld der europäischen ExoMars-Mission startete heute ein
internationales Projekt zur Simulation des Eintritts von Raumfahrzeugen in die
Marsatmosphäre. Unter anderem bilden die Wissenschaftler dazu in einem Windkanal
des DLR in Köln die Atmosphäre des roten Planeten nach, um detaillierte Daten
über den Eintritt von Raumsonden zu gewinnen.
In Köln steht den Forschern ein
lichtbogenbeheizter Windkanal zur Verfügung, in
denen Modelle den realen Hitzelasten ausgesetzt
werden können. Durch optische und elektronische
Messtechnik kann das Strömungsverhalten der
heißen Gase und die punktuelle Hitzebelastung
einzelner Partien des Modells untersucht werden.
Die Raumkapseln treten mit ihrer stumpfen
Unterseite voran in die Atmosphäre ein, was dort
zu einer Art Stoßwelle mit hohen Temperaturen
führt, während die an der Rückseite
vorbeiströmenden Gase deutlich kühler sind.
Foto: DLR |
Die Erforschung des Mars hat in den vergangenen Jahren große
Fortschritte gemacht. Raumfahrtmissionen wie Mars Express haben
das Wissen über den roten Planeten deutlich erweitert. Dennoch sind
viele Fragen zur Beschaffenheit, Entstehung und Entwicklung unseres
Nachbarplaneten offen. Antworten auf diese Fragen sind nur auf der
Oberfläche des Mars zu finden. Um dort sicher landen zu können, muss
zunächst die Hürde der Marsatmosphäre genommen werden. Und genau hier
beginnt die Arbeit der Forschergruppe unter Leitung von Dr. Ali Gülhan
von der Abteilung Überschall- und Hyperschalltechnologie des Instituts
für Aerodynamik und Strömungstechnik des Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR).
Ähnlich wie bei dem Wiedereintritt von Raumfahrzeugen in die
Erdatmosphäre muss ein Raumfahrzeug beim Eintritt in die Marsatmosphäre
enormen Temperaturbelastungen standhalten. Aus diesem Grund sind sowohl
Landekapseln als auch Spaceshuttles durch eine Hitze absorbierende
Schicht geschützt. Diese kann unter anderem aus organischem Material -
das während des Eintritts verbrennt - oder auch keramischen Strukturen
bestehen.
Vergangenen Marsmissionen standen nur begrenzte Informationen über die
Zusammensetzung der Atmosphäre des Planeten zur Verfügung. Präzise
Vorhersagen der zu erwartenden Temperaturen beim Eintritt in die
Marsatmosphäre waren daher nur schwer möglich. Deshalb wurde aus
Sicherheitsgründen der Hitzeschutz mit großen Toleranzen konzipiert.
Dieser überdimensionierte Hitzeschutz wirkte sich allerdings negativ auf
die wissenschaftliche Nutzlast des Raumfahrzeugs aus. Die aktuellen
Forschungen sollen dies verbessern.
Eine genaue Vorhersage der Verteilung des Hitzeflusses auf der
Oberfläche der Raumkapsel, die mit Hyperschall in die Atmosphäre
eintritt, ist für eine grundlegende Verbesserung der
Eintrittstechnologie unerlässlich. Zur Modellierung der
Hochtemperaturströmung werden vielfach Computersimulationen eingesetzt.
Dafür wird auch das vom DLR entwickelte TAU-Rechenverfahren genutzt. Die
Daten für diese Computermodelle stammen aus Windkanalversuchen, bei
denen die wesentlichen physikalischen Eigenschaften des Mars
nachgebildet werden. In der Marsatmosphäre befinden sich beispielsweise
im Vergleich zur Erdatmosphäre mehr Partikel, die die Erosion des
Hitzeschutzes deutlich verstärken.
In Köln steht den Forschern ein lichtbogenbeheizter Windkanal zur
Verfügung, in dem Modelle den realen Hitzelasten ausgesetzt werden
können. Diese Anlage erlaubt das Strömungsfeld des Marseintritts mit
Staubpartikeln nachzubilden und das Verhalten des Hitzeschutzmaterials
mit Hilfe optischer und konventioneller Messtechniken zu untersuchen.
Während die Frontseite der Raumkapsel höheren thermischen Lasten
ausgesetzt ist, bestimmt die relativ kühle und dünne Strömung auf der
Rückseite die dynamische Flugstabilität des Fahrzeuges. Zusätzlich
werden beim DLR in Göttingen Experimente zur Bestimmung des Einflusses
der Gaszusammensetzung auf den Wärmefluss durchgeführt.
Die durch numerische Simulation und im Windkanal gewonnenen Daten
fließen in die Entwicklung von neuartigen Hitzeschutzkonzepten sowie
Materialien ein und haben Einfluss auf das aerodynamische Design der
Raumfahrzeuge. Neben der Strömungs- und Materialforschung beschäftigt
sich das interdisziplinäre Forschungsprojekt SACOMAR (Safe and
Controlled Martian Entry) auch mit dem Problem des sogenannten
Blackouts, dem Abriss der Funkverbindung während der Eintrittsphase.
"Das Projekt bietet uns die Chance, durch die Kooperation von
Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete technologische Grundlagen des
Marseintritts im Detail zu untersuchen. Die Forschungsergebnisse können
einen Beitrag zum ExoMars-Projekt der ESA leisten," hofft
SACOMAR-Projektleiter Gülhan. Das von der europäischen Union finanzierte
Projekt vereint die Arbeit der deutschen, russischen und italienischen
Forscher mit Projektpartnern aus der Industrie.
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