Kollisionen aktivierten Schwarze Löcher
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
22. Juni 2010
Im Herzen der meisten Galaxien befindet sich ein massereiches Schwarzes
Loch. Auch unsere Milchstraße birgt ein solches exotisches Objekt, das
sich allerdings recht ruhig verhält - im Gegensatz zu den
Schwerkraftfallen in anderen Galaxien. Astronomen haben jetzt 199 dieser
Systeme untersucht und herausgefunden, warum die Schwarzen Löcher in
deren Zentren so aktiv sind.
Verschmelzende Galaxien - hier das System NGC
2207 im Sternbild Großer Hund - sind
wahrscheinlich die Vorläufer für aktive
Galaxienkerne.
Bild: ESO [Großansicht] |
Während das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße etwa 4
Millionen Sonnenmassen entspricht, haben die Schwarzen Löcher in den 199
untersuchten Galaxien eine Masse von typischerweise 300 Millionen
Sonnen. Zudem sind diese Galaxien viel größer als unsere Milchstraße und
ihr innerer Bereich strahlt mit einer sehr viel höheren Leuchtkraft als
jener von normalen Galaxien. Die Astronomen glauben, dass diese
Strahlung beim Einfall von Materie auf das besonders schwere Schwarze
Loch im Zentrum entsteht.
Bisherige Studien deuten darauf hin, dass die Geburt und Entwicklung der
Galaxien und ihrer zentralen Schwarzen Löcher in engem Zusammenhang
stehen. Es gibt allerdings verschiedene Möglichkeiten, wie das innerhalb
der Galaxie verteilte Gas zum Schwarzen Loch gelangt. Die Forscher
wussten bisher noch nicht, welcher dieser Mechanismen in welchem
Entwicklungsstadium einer Galaxie vorherrscht. Die beiden wichtigsten
Wege sind entweder interne Störungen, etwa Instabilitäten in der
galaktischen Scheibe, oder Verschmelzungen und gravitative
Wechselwirkungen zwischen engen Galaxienpaaren.
In Bezug auf die räumliche Verteilung der aktiven Galaxien und ihrer
Massen führen Simulationen dieser Vorgänge zu unterschiedlichen
Vorhersagen. Vorangehende Studien untersuchten Sternsysteme, die man
allein aufgrund ihrer optischen oder weichen Röntgenstrahlung ausgewählt
hatte. Dabei wurde aber naturgemäß ein Großteil jener Strahlung außer
Acht gelassen, die vom Schwarzen Loch stammt, da diese zum Teil durch
Staub und andere Materie in der Galaxie "verschluckt" wird.
"Für unsere Studie beschränkten wir uns auf Galaxien, die aufgrund ihrer
harten Röntgenemission in der Swift-BAT-Himmelsdurchmusterung ausgewählt
wurden", erklärt Nico Cappelluti vom Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik. "Dieser Katalog bietet eine einzigartige
Charakterisierung der unterschiedlichen Quellen." Laut Mitautor Marco
Ajello, Wissenschaftler am Kavli-Institut für Teilchenphysik und
Kosmologie im amerikanischen Stanford, liefert die Himmelsdurchmusterung
ein vollständiges Bild der lokalen aktiven Galaxien. "Damit konnten wir
die Messungen direkt vor unserer kosmologischen Haustür vornehmen."
So gibt die Analyse der räumlichen Verteilung von 199 ausgewählten
Galaxien nun zum ersten Mal ein unverfälschtes Bild der gemeinsamen
Entwicklung der Galaxien und ihrer aktiven Kerne im nahen Universum.
Danach beherbergen die aktiven Galaxien in ihren Zentren Schwarze Löcher
mit typischerweise rund 300 Millionen Sonnenmassen. Die Masse der
Galaxien selbst entspricht der von etwa 200 Milliarden Sonnen. Die
Galaxien wiederum befinden sich innerhalb großer Blasen aus Dunkler
Materie - so massereich wie 100 Milchstraßen.
Diese Eigenschaften hängen eng mit der Leuchtkraft zusammen: Die
leuchtkräftigeren Quellen stammen aus massereicheren Galaxien mit
größeren Schwarzen Löchern. Beim Vergleich der Beobachtungsdaten mit
Vorhersagen aus theoretischen Modellen fanden die Wissenschaftler
heraus, dass das wahrscheinlichste Szenario für den Ursprung der lokalen
aktiven Galaxien eine kosmische Kollision ist: "Die aktiven
Galaxienkerne schalteten sich vor rund 700 Millionen Jahren nach der
Verschmelzung von großen Galaxien ein und leuchteten in ihrem ersten
Lebensabschnitt sehr hell", sagt Cappelluti. "Dabei gewannen sie den
größten Teil ihrer Masse."
Nach etwa 200 bis 500 Millionen Jahren wurde die Massenanhäufung ("Akkretion")
immer weniger effizient, da die Gasvorräte zur Neige gingen. Bis heute
sind die Galaxienkerne zwar zu super-massereichen Schwarzen Löchern
herangewachsen - mit 100 bis 1000 Millionen Sonnenmassen; aber sie
strahlen im Vergleich zu anderen aktiven Galaxienkernen nur noch mit
mäßiger Leuchtkraft, weil der Materienachschub fehlt und die Schwarzen
Löcher gleichsam "hungern".
Die Ergebnisse der Gruppe um Cappelluti tragen entscheidend zu einem
besseren Verständnis des Ursprungs der Schwarzen Löcher in
Galaxienzentren bei. In den kommenden Jahren wird die nächste Generation
von Röntgenteleskopen - etwa eROSITA, das gegenwärtig am
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik gebaut wird - Schwarze
Löcher und Dunkle Materie weiter kartieren. Von diesen Studien erwartet
man Aufschluss über die Geschichte der exotischsten Phänomene im
Universum. Die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Ergebnisse in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
|