Kuipergürtel-Objekt mit junger Oberfläche
Redaktion /
idw / Pressemitteilung der Universität Stuttgart astronews.com
17. Juni 2010
Eine Gruppe deutscher Astronomen testete im Herbst
vergangenen Jahres am Lick Observatory eine Hochgeschwindigkeitskamera
für den Einsatz auf SOFIA, dem fliegenden Teleskop. Dabei konnten sie auch
verfolgen, wie ein Objekt des Kuipergürtels einen entfernten Stern kurzzeitig
bedeckte. Die Beobachtung lieferte Überraschendes über die Oberfläche des
Kuipergürtel-Objekts.
Illustration der Flugbahn von KBO 55636.
Bild: idw / DSI / Jürgen Wolf [Großansicht] |
Im äußeren Bereich des Sonnensystems liegt eine als "Kuipergürtel"
bezeichnete Region, in der Tausende eisige Himmelskörper, die sogenannten
Kuipergürtel-Objekte (oder Kuiper Belt Objects, KBOs) umherdriften. Ihre
vergleichsweise geringe Größe und ihre große Entfernung machen es jedoch
schwierig, KBOs in ihren Einzelheiten zu untersuchen. Eine Möglichkeit dazu
besteht, während ein KBO kurz vor einem hellen Stern vorbei läuft: Aus der
Messung der Veränderungen des Sternlichtes während dieser als Sternbedeckung
bezeichneten Phase können Astronomen die Größe und Temperatur des bedeckenden
Himmelskörpers sowie das mögliche Vorhandensein einer Atmosphäre ableiten.
Um jedoch am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu beobachten, muss man die
Umlaufbahn eines KBOs so gut kennen, dass man die Position vorhersagen kann, die
er hat, wenn sein vom bedeckten Stern geworfener Schatten die Erde trifft. Dies
gelang im Oktober 2009 einem Team von 18 Astronomen unter Leitung von James
Elliot vom Massachusetts Institut of Technology (MIT), das eine
Sternbedeckung durch das Objekt mit dem Namen KBO 55636 beobachtete. Zu dem Team
gehörte auch eine Forschergruppe des Deutschen SOFIA Instituts (DSI) der
Universität Stuttgart unter Leitung von Jürgen Wolf. Über die Ergebnisse ihrer
Untersuchungen berichten die Wissenschaftler in der heute erschienenen Ausgabe
der Fachzeitschrift Zeitschrift Nature.
Die Objekte des Kuipergürtels sind nach Ansicht der Astronomen Überreste von
der Entstehung des Sonnensystems. Anders als unsere Erde, die seit ihrer
Entstehung durch Wind und Wasser verwittert ist, haben sich die KBOs im Laufe
der Zeit kaum verändert und können so Hinweise auf die Frühphase des
Sonnensystems und die Planetenentstehung liefern.
Wolf und seine DSI-Kollegen Martin Burgdorf, Enrico Pfüller und Manuel
Wiedemann arbeiteten mit ihren amerikanischen Kollegen Eric Becklin und Elinor
Gates am 1-Meter Teleskop des Lick Observatory in Kalifornien. Sie
testeten eine neue Hochgeschwindigkeitskamera für ihren zukünftigen Einsatz auf
dem Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie (SOFIA). "Wir waren
gerade dabei, die Aufnahme des Einschlages einer Sonde auf dem Mond
vorzubereiten, als Jim Elliot fragte, ob wir bei der Beobachtung der
KBO-Bedeckung helfen könnten", berichtet Wolf. "Aufgrund ihrer Empfindlichkeit
und Schnelligkeit war unsere Kamera dazu perfekt geeignet."
Die Bedeckung lieferte genügend Daten, um die Größe und die so genannte
Albedo (ein Maß für die Lichtreflektion) von KBO 55636 zu bestimmen. Die
Oberfläche von 55636 ist so hell wie Eis und Schnee - eine große Überraschung
für die Forscher, da man von diesen uralten Himmelskörpern normalerweise eine
stumpfere, dunklere Oberfläche erwartet. Die gemessene hohe Albedo lässt
vermuten, dass die Oberfläche aus Wassereis-Partikeln besteht.
Dies stützt die Theorie einiger Forscher, der zufolge es vor etwa einer
Milliarde Jahre einen Zusammenstoß zwischen dem Kleinplaneten Haumea und einem
weiteren Körper des Kuiper Gürtels gegeben hat. Dabei wurde der Eismantel von
Haumea zerstört und in Dutzende kleinerer Körper aufgeteilt, darunter auch das
KBO 55636. Die Forschungsarbeit zeigt auch, dass die Astronomen Sternbedeckungen
genügend genau vorher sagen können, um sie mit dem neuen NASA/DLR
Flugzeugobservatorium SOFIA messen zu können.
Das Forschungsflugzeug, eine umgebaute Boeing 747SP, trägt ein in Deutschland
entwickeltes Großteleskop mit einem 2,7-Meter Spiegel und kann Messungen im
Infrarot-Bereich durchführen, die von Boden aus unmöglich sind. Im Mai hat SOFIA
seinen erfolgreichen "First Light"-Flug absolviert (astronews.com berichtete).
Elliot hofft, dass seine Untersuchung zukünftige SOFIA Flüge unterstützt, bei
denen Sternbedeckungen im Detail untersucht werden. "Diese erste erfolgreiche
Beobachtung einer Sternbedeckung durch ein KBO zeigt auch die enorme
Leistungsfähigkeit unserer schnellen Kamera", so Wolf. "Wir hoffen auf viele
weitere Messungen, wenn wir die Kamera auf SOFIA routinemäßig einsetzen."
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