Die wahren Gasbläser des Universums
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
3. Mai 2010
Aktive Galaxienkerne, also supermassereiche Schwarze Löcher, die gerade
große Mengen an Gas verschlingen, haben einen gewaltigen Einfluss nicht nur
auf ihre Galaxie, sondern auch auf ganze Galaxiengruppen. Astronomen konnten
nämlich nun zeigen, dass durch die gewaltigen Jets sogar ein Teil des Gases
zwischen den Galaxien ins All geschleudert wird.
Falschfarbenaufnahme des Zentrums einer
Galaxiengruppe im Röntgenbereich. Der Materiejet,
der vom zentralen Schwarzen Loch ausgestoßen
wird, ist durch seine Strahlung im Radiobereich
(überlagert, blau-violett) deutlich zu erkennen.
Bild: S. Giodini, A. Finoguenov
/ MPE [Großansicht] |
Viele große Galaxien beherbergen in ihren Zentren supermassereiche
Schwarze Löcher mit der Masse von vielen Millionen Sternen. Wegen seiner
unvorstellbar großen Anziehungskraft verschlingt ein Schwarzes Loch die
umgebende Materie. Diese kosmische "Mahlzeit" setzt große Energiemengen
frei, die in gewaltigen Strahlen - den Jets - ausgestoßen werden. Jetzt
haben Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik
gezeigt, dass dabei nicht nur Materie aus den Galaxien selbst
herausgeschleudert wird, sondern sogar ein Teil des Gases zwischen den
Mitgliedern einer Galaxiengruppe. Die Wissenschaftler berichten über
ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal.
Astronomen versuchen schon lange zu verstehen, wie Schwarze Löcher mit ihrer
Umgebung wechselwirken; bis heute haben sie dieses sogenannte Feedback aber nur
unzureichend verstanden. Beobachtungen und Simulationen zeigen, dass die Jets in
besonders aktiven Galaxien - sie leuchten überwiegend im Radiobereich - große
Mengen Materie mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins All transportieren.
Diese Plasmablasen geben ihre Energie an das Gas ab, das den Raum zwischen den
einzelnen Galaxien ausfüllt. Die charakteristischen "Fingerabdrücke" für dieses
Radio-Feedback lassen sich sowohl im Radio- als auch im Röntgenbereich
nachweisen. Besonders interessant erscheinen Galaxiengruppen, in denen mehrere
Milchstraßensysteme durch die Schwerkraft gebunden sind. Studien haben kürzlich
gezeigt, dass die Gasmenge in solchen Gruppen geringer ist, als in
kosmologischen Modellen vorhergesagt. Die Astronomen erklären sich dieses
Defizit damit, dass große Mengen an mechanischer Energie aus den zentralen
Schwarzen Löchern einen Teil des intergalaktischen Gases wegblasen könnten.
Bis heute war das allerdings nur eine Hypothese, die Untersuchungen beschränkten
sich auf eine Handvoll naher Objekte, die von weniger (Radio-)leuchtstarken
Schwarzen Löchern bevölkert werden. Ein Team um Stefania Giodini am
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching hat nun eine der
größten Studien an Galaxiengruppen und -haufen vorgenommen, die im
Röntgenbereich nachgewiesen und mit XMM-Newton identifiziert wurden.
Galaxienhaufen umfassen bis zu mehrere tausend Mitglieder, sind also deutlich
größer und massereicher als Galaxiengruppen.
Die Astronomen untersuchten die Energien des Radio-Feedback in einem Teil der
fast 300 Galaxiengruppen, die sich in einem bestimmten Gebiet des Himmels - dem
großflächigen "Cosmos-Feld" - befinden. Die Ergebnisse zeigen, dass die
Aktivität der Schwarzen Löcher in den Zentren der einzelnen Galaxien tatsächlich
einen dramatischen Effekt auf die Umgebung haben muss: Sie stoßen dermaßen viel
Energie aus, dass damit das Gas weit aus den Gruppen heraus geblasen wird. Damit
ist das Rätsel um die fehlende Materie gelöst - und zum ersten Mal der
erhebliche Einfluss von Schwarzen Löchern in Galaxiengruppen nachgewiesen.
"Normalerweise ist das Gas durch die Gravitation gebunden. Die Schwarzen Löcher
können aber so aktiv sein, dass sie die Schwerkraftfesseln sprengen. Somit wird
ein bedeutender Anteil des Gases aus den Galaxiengruppen entfernt", sagt Giodini.
In den massereicheren Galaxienhaufen dagegen ließ sich ein derartiger Effekt
nicht nachweisen; dort verhindert offenbar die enorme Gravitationskraft, dass
das Gas dem Haufen entkommt.
"Es ist beeindruckend, was für eine erhebliche Wirkung der Radiofluss von
Galaxien auf ihre Umgebung haben kann", sagt Vernesa Smolčić vom California
Institute of Technology, Mitautorin der Studie. "Das geschieht
wahrscheinlich nicht nur auf Größenskalen innerhalb der Galaxien, sondern auch
auf Skalen von einigen Millionen Lichtjahren." So scheinen Radiogalaxien
regelrechte Störenfriede zu sein, die das Gas um die Galaxie herum auf ungeahnt
hohe Temperaturen aufheizen und einen Teil der Materie aus den Galaxiengruppen
herausschleudern.
Hans Böhringer, Leiter der Forschungsgruppe für Galaxienhaufen und Kosmologie am
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, war ebenfalls an dieser
Studie beteiligt: "In einigen nahen Galaxienhaufen sehen wir den Effekt der
Energieausbrüche Schwarzer Löcher auf ihre Umgebung in Form von Plasmablasen,
die im Radiobereich leuchten. Einen direkten Nachweis für periodisch
wiederkehrende Ausbrüche erhalten wir aber nur durch die Untersuchung einer
großen Zahl von Galaxiengruppen."
Der enorme Einfluss der einzelnen Galaxienkerne erstaunt selbst die Astronomen.
"Ich konnte mir nie vorstellen, in welchen Ausmaß Schwarze Löcher das Gas in
Galaxiengruppen verdrängen können", sagt Mitautor Alexis Finoguenov vom
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und der Universität Maryland
in Baltimore. "Sie sind die Gasbläser des Universums."
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