Tage wurden 0,3 Mikrosekunden länger
Redaktion
/ Pressemitteilung der Technischen Universität Wien astronews.com
12. April 2010
Mit Hilfe genauer Radio- und Satellitenmessungen haben Wissenschaftler jetzt
die globalen Auswirkungen des verheerenden Erdbebens in Chile im Februar
genauer bestimmt. Nach ersten Analysen hat sich die Erdkruste in der Region
um drei Meter verschoben und der gesamte Kontinent auseinandergezogen.
Die Tage dürften durch das Beben um etwa 0,3 Mikrosekunden länger geworden
sein.
Horizontal-Verschiebungen der Erdkruste in
Südamerika bestimmt mit Hilfe von GPS-Daten.
Bild:
TU Wien [Großansicht] |
Am 27. Februar 2010 zerstörte eines der stärksten Erdbeben der letzten
Jahrzehnte (Magnitude 8,8) große Teile der drittgrößten chilenischen
Stadt Concepción und deren Umland. Experten am Institut für Geodäsie und
Geophysik der TU Wien haben an zentraler Stelle zu wichtigen
geodätischen Messungen beigetragen, die vor und nach dem Erdbeben
durchgeführt wurden. Solche hochpräzisen geowissenschaftlichen Messungen
spielen in der Geodäsie, also der Vermessung der Erde, eine wichtige
Rolle und sind auch für die Analyse von Naturkatastrophen und für die
Ursachenforschung von großer Bedeutung.
Die Messungen erlauben es, die Deformationen der Erdkruste und die Verschiebung
der Kontinentalplatten mit sehr hoher Genauigkeit zu bestimmen. Die GPS-Station
in Concepción, die während und nach dem Erdbeben störungsfrei weitergelaufen
ist, hat eine Verschiebung um beinahe drei Metern in westlicher Richtung
gemessen. Auf einer von den Wissenschaftlern erstellten Karte ist zu erkennen,
dass die gesamte südamerikanische Platte nicht nur nach Westen "gewandert" ist,
sondern auch "auseinandergezogen" wurde.
"Beobachtungen mit dem Radioteleskop in Concepción werden mittels des Verfahrens
der Very Long Baseline Interferometry (VLBI) weitere wichtige Aussagen
zur Plattenbewegung liefern." vermutet Dr. Johannes Böhm, Leiter der VLBI-Gruppe
am Institut für Geodäsie und Geophysik. Das Radioteleskop ist durch das Erdbeben
kaum in Mitleidenschaft gezogen worden. Aktuelle Ergebnisse der
VLBI-Auswertungen am Institut bestätigen jetzt die Verschiebung um ungefähr drei
Meter in Richtung Westen und 0,65 Meter in südlicher Richtung.
Experten hatten auch erwartet, dass das Erdbeben die Rotation der Erde
beeinflusst hat. Die durch das Beben verursachten Massenverlagerungen innerhalb
der Erdkruste wirken sich sowohl auf die Drehgeschwindigkeit der Erde aus, als
auch auf die Richtung der Rotationsachse, wo sie zur Polbewegung beitragen. Mit
Informationen über die Stärke des Erdbebens und die dadurch hervorgerufenen
Deformationen wurde inzwischen am Institut für Geodäsie und Geophysik die
Auswirkung auf die Erdrotation berechnet. Erste Ergebnisse zeigen, dass die
Drehgeschwindigkeit der Erde geringfügig langsamer geworden ist und die Tage um
0,3 Mikrosekunden länger wurden.
Die Polbewegung wird in den kommenden Monaten um ca. 2,6 Millibogensekunden, das
entspricht sieben Zentimetern an der Erdoberfläche, anders verlaufen, als ohne
Einwirkung des Erdbebens in Chile. "Aussagen, die eine 'sprungartige'
Verlagerung der Erdrotationsachse vermuten ließen, sind demnach nicht korrekt," unterstreicht Prof. Harald Schuh, Vorstand des Instituts für Geodäsie und
Geophysik der TU Wien und Präsident der Kommission 19 "Rotation der Erde" der
Internationalen Astronomischen Union (IAU).
Derzeit werden Beobachtungen analysiert, die mit globalen Satelliten-Systemen
wie dem amerikanischen GPS oder dem russischen Glonass und auch mit dem
Verfahren der VLBI durchgeführt wurden, um die Wirkung des Erdbebens auf die
Erdrotation zu bestätigen. "Dies ist nicht so einfach, da es neben Erdbeben noch
zahlreiche andere Einflüsse auf die Erdrotation gibt, zum Beispiel starke
Windströmungen oder die Meeresgezeiten", betont Dr. Tobias Nilsson, der für die
entsprechenden Arbeiten am Simulationsmodell zuständig ist.
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