Das Rätsel der rasenden Sterne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Erlangen-Nürnberg astronews.com
7. April 2010
Einige Sterne der Milchstraße rasen wie von einem Katapult abgeschossen aus unserer Galaxie heraus. Für deren Beschleunigung,
so glaubten bislang viele, ist das supermassereiche Schwarzes Loch verantwortlich, das sich in der Mitte unserer Galaxie befindet.
Jetzt konnten Astronomen der Universität Erlangen-Nürnberg zeigen, dass es
auch andere Ursachen für das Phänomen geben muss. Einer dieser rasanten
Sterne stammt nämlich nicht aus dem Milchstraßenzentrum.
Diese Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble
zeigt die Bow Shock genannte Bugwelle, die durch
einen superschnellen Stern erzeugt wird.
Bild: NASA, ESA und R. Sahai (NASA/Jet
Propulsion Laboratory) |
Wie von einem Katapult abgeschossen, rasen einzelne, superschnelle Sterne aus unserer Galaxie heraus. Für deren Beschleunigung ist ein Schwarzes Loch verantwortlich, das sich in der Mitte unserer Galaxis befindet, so glauben die meisten Experten. Astronomen der Universität Erlangen-Nürnberg um Prof. Dr. Ulrich Heber waren an der Entdeckung der ersten drei solcher Sterne im Jahr 2005 maßgeblich beteiligt und vermuten, dass es auch andere Ursachen für das Phänomen
gibt.
In einer Diplomarbeit, die in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg entstand, wurde ein neu entdeckter superschneller Stern untersucht. Dabei konnte
nun nachgewiesen werden, dass er nicht aus dem Zentrum der Galaxis stammt. Die
Ergebnisse der Arbeit jetzt in der Fachteitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht.
Im Zentrum unserer Galaxie befindet sich ein Schwarzes Loch, das in etwa die drei Millionen-fache
Masse unserer Sonne aufweist - das ist in der Forschung heute unumstritten. Ein
solches Schwarzes Loch kann Sterne, die in seine Nähe geraten, unter Umständen
so beschleunigen, dass sie mit großer Geschwindigkeit aus der Milchstraße
hinausschießen. Inzwischen sind 16 superschnelle Sterne unter den 100 Milliarden Sternen der Milchstraße bekannt. Die Wissenschaftler des Astronomischen Instituts der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
(FAU) fanden schon im letzten Jahr Hinweise darauf, dass es neben dem Schwarzen Loch auch andere Mechanismen geben muss, die die Sterne herausschleudern.
Dieser Verdacht hat sich im Rahmen der Diplomarbeit des Regensburger Physikstudenten Andreas Irrgang erhärtet. Er hat in einem Kooperationsprojekt der FAU und der Universität Regensburg den superschnellen Stern HIP 60350 untersucht, der sich in
rund 10.000 Lichtjahren Entfernung von der Erde befindet. Anhand von Daten des
Hobby-Eberly Telescopes in Texas, das mit 9,2 Metern Durchmesser zu den größten der Welt gehört, gelang es Irrgang, die Herkunft von HIP 60350 zu berechnen: Demnach entstand der Stern weit außerhalb des Zentrums der Galaxis und damit in großer Entfernung zum Schwarzen Loch.
Es gibt zwei mögliche Erklärungen, weshalb er trotzdem aus der Galaxis herausgeschleudert wird: Zum einen könnte es in einem Doppelsternsystem eine Explosion gegeben haben, bei der der eine Stern zerstört und der andere herauskatapultiert wurde. Denkbar ist aber auch, dass in einem Sternhaufen mehrere Sterne, fast wie im Billardspiel, zusammenstoßen und einer ausgeworfen wird. Sternhaufen gelten als Geburtsorte der Sterne und befinden sich in den Spiralarmen der Milchstraße. Andreas Irrgang konnte fünf Sternhaufen als mögliche Geburtsorte identifizieren, die sich in einem Spiralarm befinden, der zwischen den Sternbildern Schild und Kreuz des Südens liegt.
Aus welchem Sternhaufen HIP 60350 stammt, können Prof. Heber und sein Team
vielleicht ermitteln, wenn die europäische Weltraumagentur ESA das Weltraumobservatorium
Gaia in Betrieb nimmt, mit dem der gesamte Sternenhimmel neu vermessen wird.
Gaias Messungen werden hundert Mal genauer sein als alle bisherigen und es den Astronomen ermöglichen, der Lösung des Rätsels um die superschnellen Sterne einen großen Schritt näher kommen.
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