Gasmenge steigert Geburtsrate von Sternen
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
11. Februar 2010
Im jungen Universum bildeten sich Sterne mit einer deutlich höheren Rate als
heute. Schon lange Zeit rätseln Astronomen über den Grund dafür: Liegt es
schlicht daran, dass damals mehr Material zur Verfügung stand oder könnten
die Prozesse, die zur Entstehung von Sternen führen, früher viel effizienter
abgelaufen sein? Neue Beobachtungen liefern nun eine Antwort.
Zwei Ansichten einer typischen Galaxie, 5,5
Milliarden Jahre nach dem Urknall. Unten eine
Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops im
optischen Licht, oben die Kombination eines
Bildes des IRAM-Interferometers (rot/gelb) mit
einem Foto im optischen Bereich (grau). Diese
Beobachtungen zeigen, dass die Masse des kalten
Gases in der galaktischen Scheibe etwa zehnmal
größer ist als in heutigen Galaxien. Die gelbe
Linie im Bild unten entspricht einer Strecke von
27.000 Lichtjahren.
Bilder: MPE / IRAM
|
Sterne entstehen aus gigantischen Gaswolken innerhalb von Galaxien. Die Geburtenrate hat sich aber im Lauf der Zeit verändert. So
entstanden im jungen Universum deutlich mehr Sterne als heute. Jetzt haben Forscher aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik zusammen mit Kollegen eine einleuchtende Erklärung dafür gefunden: Normale Galaxien enthielten wenige Milliarden Jahre nach dem Urknall fünf- bis zehnmal mehr Gas als heutige Galaxien - und stellten damit eine größere Menge an Rohstoffen für die Sternentstehung bereit.
Die Wissenschaftler berichten über ihre Ergebnisse in der heutigen
Ausgabe der Fachzeitschrift Nature.
"Zum ersten Mal war es uns möglich, das kalte molekulare Gas in normalen Galaxien nachzuweisen und die Milchstraßensysteme so abzubilden, wie sie kurz nach dem Urknall für massereiche Galaxienpopulationen typisch waren", sagt Linda Tacconi vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Erstautorin des Artikels in der Zeitschrift
Nature.
Die Beobachtungen erlauben einen ersten direkten Blick auf Galaxien - genauer gesagt auf das kalte Gas in diesen Galaxien, nur drei bis fünf Milliarden Jahre nach dem Urknall.
Damals haben diese Milchstraßensysteme anscheinend mehr oder weniger kontinuierlich Sterne gebildet, allerdings mit einer mindestens zehnmal höheren Rate als in ähnlich massereichen Galaxien im heutigen Universum.
Die grundlegende Frage lautet nun, ob diese höhere Sternentstehungsrate durch eine größere Menge an kaltem, molekularem Gas - dem Rohstoff für junge Sterne - hervorgerufen wurde. Oder ob die Sternengeburt im jungen Universum einfach viel effizienter verlief.
Seit etwa zehn Jahren entwerfen Astrophysiker ein allgemeines Bild davon, wie sich Galaxien bilden und entwickeln, seit das Universum wenige Milliarden Jahre alt war. Danach sammelte sich unter dem Einfluss der mysteriösen Dunklen Materie abkühlendes Gas, ähnlich wie Regenwasser in Pfützen. Mit der Zeit strömte Gas von diesen
"Materiepfützen" zu Protogalaxien; Kollisionen und Verschmelzungen dieser Systeme führten dann nach und nach zum hierarchischen Anwachsen der Galaxienmasse.
Detaillierte Beobachtungen des kalten Gases, seiner Verteilung und Dynamik, sind deshalb von äußerster Wichtigkeit. Denn nur so lassen sich die komplexen Mechanismen verstehen, die dafür sorgten, dass sich diese ersten Protogalaxien zu modernen Galaxien wie unserer Milchstraße entwickelten.
Eine groß angelegte Studie von entfernten, leuchtkräftigen und massereichen Galaxien mit dem IRAM-Interferometer auf dem Plateau du Bure brachte jetzt Licht ins Dunkel: Zum ersten Mal gelang es, den Rohstoff für die Sternentstehung direkt zu beobachten.
Weil die Empfindlichkeit der Messgeräte vor kurzem deutlich verbessert wurde, konnten die Astronomen die Eigenschaften von kaltem Gas anhand einer Spektrallinie des Kohlenstoffmonoxid-Moleküls in normalen, nicht übermäßig leuchtkräftigen Galaxien systematisch vermessen - und zwar zu einer Zeit,
zu der das Weltall nur etwa 40 beziehungsweise 24 Prozent seines jetzigen Alters besaß.
Frühere Beobachtungen beschränkten sich meist auf seltene, sehr leuchtstarke Objekte wie etwa verschmelzende Galaxien oder Quasare, also die Kerne von jungen, aktiven Galaxien.
"Das war ein wenig so, als hätte man bei der Untersuchung einer Menschengruppe
nur Personen über 2 Metern betrachtet und nicht diejenigen mit einer
durchschnittlichen Körpergröße", vergleicht Michael Cooper von der
University of Arizona, einer der am Projekt beteiligten Wissenschaftler.
"Wir haben herausgefunden, dass massereiche normale Galaxien bei einer Rotverschiebung von 1,2 und 2,3 etwa fünf- bis zehnmal mehr Gas enthalten, als wir im nahen Universum sehen",
erläutert Tacconi. Die Rotverschiebung ist ein Maß für die Entfernung und damit
für das Alter eines Objekts. Hat eine Galaxie etwa eine Rotverschiebung von 2,3,
sehen wir sie in einer Epoche, die einem Weltalter von 24 Prozent des heutigen
entspricht, also gut drei Milliarden Jahre nach dem Urknall. Die untersuchten Galaxien zeigten über lange Zeit eine hohe Sternentstehungsrate. Das heißt: Aus dem Halo aus Dunkler Materie muss kontinuierlich Gas nachströmen - genau so, wie es kürzlich aufgestellte Theorien vorhersagen.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Beobachtungen sind die ersten räumlich aufgelösten Bilder der Verteilung und Bewegung des kalten Gases in mehreren Galaxien.
"Die Messungen geben uns entscheidende Hinweise und Randbedingungen für die nächste Generation von theoretischen Modellen, mit denen wir die frühen Phasen der Galaxienentwicklung genauer untersuchen wollen", sagt Andreas Burkert, Experte für Sternentstehung und Galaxienentwicklung am Garchinger Exzellenzcluster
Universe. "Letztlich werden uns diese Arbeiten auch dabei helfen, den
Ursprung und die Entwicklung unserer Milchstraße zu verstehen."
|