Weg vom astronomischen Geozentrismus
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
5. November 2009
Warum sollte Leben sich eigentlich nur dort entwickeln können, wo es Wasser
gibt? Und wieso muss es auf Kohlenstoff basieren, nur weil wir von der Erde
nichts anderes kennen? Dieser und weiterer Fragen will sich nun eine
Wissenschaftlergruppe in Wien annehmen und in den kommenden drei Jahren
versuchen, den Geozentrismus in Astronomie und Biologie ein wenig
aufzubrechen.
Vergrößerte habitable Zone: Skizzenhafte
Darstellung einer Life Supporting Zone am
Beispiel der Lösungsmittel Formamid (rot), Wasser
(blau) und Ammoniak (grün).
Bild: Universität Wien |
Wenn in Filmen oder Romanen Außerirdische auftauchen, schauen sie uns
Menschen oft verblüffend ähnlich. Aber nicht nur Science
Fiction-Autoren, auch Wissenschaftlern fällt es schwer, sich Leben
vorzustellen, das auf völlig anderen Prinzipien beruht als jenes auf der
Erde. Eine neue, international vernetzte Forschungsprojekt unter der
Leitung von Maria Firneis von der Universität Wien will den
astronomischen "Geozentrismus" aufbrechen und die Suche nach Spuren von
Leben im All um neue Parameter erweitern.
"Sowohl in der Astronomie als auch in der Biologie herrscht das - im Grunde
geozentrische - Paradigma, dass Leben nur in Zusammenhang mit Wasser als
Lösungsmittel und Stoffwechselprozessen auf Kohlenstoffbasis entstehen kann, wie
es eben auf der Erde der Fall war", sagt Maria Firneis vom Institut für
Astronomie der Universität Wien. Was aber, wenn sich außerirdische Lebensformen
- "und wir sprechen hier nicht von Marsmännchen oder irgendwelchen intelligenten
Spezies, sondern von primitiven Systemen wie Makromolekülen", betont die
Astronomin - nicht in Wasser, sondern in alternativen Lösungsmitteln wie
Ammoniak, Formamid oder Schwefelsäure entwickelt haben? Wenn sie "exotisch" sind
und nicht auf Kohlenstoff, sondern auf anderen chemischen Elementen wie
beispielsweise Stickstoff basieren?
Diese Fragen stehen im Zentrum der neuen universitären Forschungsplattform
"Alternative Solvents as a Basis for Life supporting Zones in (Exo-) Planetary
Systems" - kurz Exolife -, die Maria Firneis in Kooperation mit Regina
Hitzenberger von der Fakultät für Physik leitet. Die dreijährige Plattform will
dem astrobiologischen Geozentrismus entgegenwirken und neue Parameter für die
Suche nach Anzeichen für Leben auf Exo-Planeten - Planeten außerhalb unseres
Sonnensystems - festlegen.
Bisher hatte man bei der Suche nach extrasolarem Leben nur die sogenannten "habitablen
Zonen" im Blick, also jenen Bereich innerhalb eines Sonnensystems, in dem sich
ein Planet befinden muss, damit auf seiner Oberfläche flüssiges Wasser vorkommen
kann. "Aber wenn auch andere Flüssigkeiten die Entstehung von Leben ermöglichen,
dann vergrößert sich die Zone, in der wir danach suchen können", sagt Johannes
Leitner von der Forschungsplattform. Er ist im Rahmen von Exolife gemeinsam mit
Firneis für die Bereiche Astrobiologie und Planetologie zuständig ist: "Wir
haben für diese Erweiterung der klassischen habitablen Zone den Begriff 'Life
supporting Zone' etabliert."
Drei zentrale Punkte sollen im Rahmen von Exolife geklärt werden - ihre
Beantwortung reicht jedoch weit über die Astronomie hinaus in viele andere
Fachgebiete wie Evolutionsbiologie, Himmelsmechanik oder Physik. Erstens wollen
Firneis und Leitner im interdisziplinären Dialog herausfinden, welche
Lösungsmittel astronomisch überhaupt in Frage kommen: "Das können zum Beispiel
Ammoniak, Ethan, Formamid, Methan oder auch Wasser-Ammoniak-Gemische sein."
Vor allem die Evolutionsbiologen im Team betrifft die zweite zentrale Frage,
nämlich jene nach der chemischen Zusammensetzung exotischer Lebensformen: "Falls
sich in alternativen Lösungsmitteln überhaupt Makromoleküle entwickeln können,
müssen sie wie gesagt nicht unbedingt auf Kohlenstoff basieren", erklärt
Leitner, der vermutet, dass es solche Exoten auch auf der Erde geben könnte.
Dass man die Suche nach dem Unbekannten immer dort beginnen muss, wo man sich
zumindest ein bisschen auskennt, meint auch Maria Firneis: "Unsere dritte
Forschungsfrage lautet - und hier sind vor allem wir Astronomen und die Physiker
gefragt: Wo könnte es solches exotisches Leben geben? Im Moment sind wir dabei,
mögliche Life supporting Zones in unserem eigenen Sonnensystem zu
identifizieren. In Frage kommen der Saturnmond Titan, der Jupitermond Europa
sowie die Atmosphäre der Venus."
Letztendliches Ziel der Forschungen im Rahmen der Plattform Exolife ist es,
sogenannte Biomarker - Merkmale, die die Atmosphäre eines potenziell
"lebenstauglichen" Exo-Planeten aufweisen müsste - zu identifizieren. Sie
ermöglichen es zukünftigen Weltraummissionen wie dem diskutierten europäischen
Venussatelliten EVE (European Venus Explorer), an dessen Konzeption und
Prototypentwicklung Firneis und Leitner maßgeblich beteiligt sind, gezielt nach
den "Alien-Molekülen" Ausschau zu halten.
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