Doch kein Problem mit Einstein
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
28. September 2009
Verletzt der Doppelstern DI Herculis Einsteins
Relativitätstheorie? Manche Wissenschaftler hielten dies für möglich, nachdem
die gemessenen Daten so gar nicht mit den Vorhersagen aus den etablierten
Theorien in Übereinstimmung zu bringen waren. Jetzt hat ein internationales
Forscherteam sich DI Herculis noch einmal genauer angesehen und den Grund für
das ungewöhnliche Verhalten des Sternenpaars gefunden.
Der Doppelstern DI Herculis.
Bild:
MIT / Simon Albrecht |
Lange Zeit hat ein Doppelsternsystem in unserer Milchstraße den
Forschern Rätsel aufgegeben: Warum weichen die Umlaufbahnen der Sterne von DI
Herculis deutlich ab von den theoretischen Vorhersagen? Dieses ungewöhnliche
Phänomen hatte zwischenzeitlich für Zweifel an der allgemeinen
Relativitätstheorie gesorgt. Jetzt haben vier Wissenschaftler aus den
Niederlanden, den USA und Deutschland diese Frage klären können. Tatsächlich
sind die Rotationsachsen des Doppelsterns ganz anders ausgerichtet als bislang
angenommen. Über ihre Resultate berichten die Forscher jetzt in der Zeitschrift
Nature.
Unter den 100 Milliarden Sternen unserer Milchstraße befinden sich zu einem
großen Teil Sternenpaare, sogenannte Doppelsterne, die zumeist gemeinsam
entstanden sind und umeinander kreisen. Die Orientierung ihrer Bahnebenen
verändert sich im Laufe der Zeit auf charakteristische Weise. Diese
Veränderungen werden zum Beispiel durch die Gravitationswirkung anderer Sterne
und Planeten hervorgerufen. Der als Präzession bezeichnete Vorgang ähnelt einem
sich drehenden Kreisel, dessen Rotationsachse bei der Drehbewegung taumelt.
Bei fast allen Doppelsternsystemen entsprach die gemessene Präzession der
Astronomen den Vorhersagen in der Theorie. Eine Ausnahme machte jedoch bislang
der DI Herculis genannte Doppelstern, der sich in etwa 2.000 Lichtjahren Abstand
von der Erde befindet. Dort sind die beobachteten Veränderungen der Bahnebenen
viermal langsamer als sie es aufgrund der gemessenen Eigenschaften des
Sternsystems sein sollten. Dieses Phänomen wurde vereinzelt auch als Problem für
die allgemeine Relativitätstheorie angesehen.
Um die ungewöhnlichen Bahnbewegungen aufklären zu können, hat ein
internationales Forscherteam charakteristische Effekte von DI Herculis
aufgezeichnet und ausgewertet: Da die Doppelsterne nur einen geringen Abstand
zueinander haben, erscheinen sie am Himmel wie ein einzelner Stern.
Zufälligerweise umkreisen sie sich innerhalb von zehn Tagen so, dass ihre
Bahnebene in Blickrichtung zur Erde liegt. Beide Sterne bedecken sich dabei
immer wieder gegenseitig, so dass ihre Gesamthelligkeit periodisch abgeschwächt
wird.
In diesem Zusammenhang haben die Forscher eine Vielzahl optischer Spektren
des Doppelsterns analysiert. Sie nutzten dabei Methoden, die bei der Suche nach
extrasolaren Planeten eingesetzt werden und konnten jetzt Grund für die langsame
Präzession aufdecken: Bisher wurde angenommen, dass in Doppelsternsystemen die
Rotationsachsen beider Sterne parallel ausgerichtet sind und senkrecht zur
Bahnebene stehen. Bei DI Herculis liegen diese jedoch fast in der Bahnebene und
weisen damit große Unterschiede in ihrer Ausrichtung auf - was die Umlaufbahn
der beiden Sterne beeinflusst und zu einer Abweichung von den theoretischen
Vorhersagen führt.
"Vieles spricht dafür, dass die beiden Sterne an Ort und Stelle gemeinsam
entstanden sind. Dass sich hierbei eine derart große Differenz bei der
Ausrichtung der Rotationsachsen entwickeln kann, ist völlig überraschend und
fordert nun die Theoretiker heraus, ein derartiges Verhalten zu erklären",
betont Dr. Sabine Reffert vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg,
die an den Arbeiten beteiligt war. "Möglicherweise ist die Entstehung von
Planeten- und Doppelsternsystemen noch komplexer und dynamischer als bislang
vermutet."
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