Ungemütliche Kinderstube von Sonnensystemen
von Stefan Deiters astronews.com
19. August 2009
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute ein neues
detailliertes Bild des Sternentstehungsgebietes RCW 38 veröffentlicht. Gerade
entstandene Sonnen und Planeten sind hier intensiver Strahlung und heftigen
Winden von nahegelegenen massereichen Sternen sowie den Folgen von
Supernova-Explosionen ausgesetzt. Auch unser Sonnensystem könnte einmal in einer
solch unwirklichen Umgebung entstanden sein.
Blick ins Zentrum des Haufens RCW 38 mit dem
massereichen Stern IRS2, bei dem es sich in
Wirklichkeit um ein System aus zwei Sternen
handelt. Die Aufnahme wurde im nahen Infrarot
gemacht.
Bild: ESO [Großansicht] |
Das jetzt veröffentlichte Bild zeigt einen Blick in den dichten
Sternhaufen RCW 38, der in rund 5.500 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Segel
des Schiffs liegt. Ganz wie im bekannten Orionhaufen sind die jungen Sterne auch
hier noch in die Wolke aus Gas und Staub gehüllt, aus der sie sich einst
gebildet haben. Nach Ansicht der Astronomen entstanden die meisten Sterne -
einschließlich der extrem häufigen massearmen roten Zwergsterne - einmal in
einer solchen Umgebung. Aus der Beobachtung von Regionen wie RCW 38 erhoffen
sich die Wissenschaftler daher tiefere Einsichten in die Entstehungsgeschichte
von Sternen und Planetensystemen.
"Wenn man sich Haufen wie RCW 38 anschaut, kann man auch eine ganze Menge
über die Entstehung unseres eigenen Sonnensystems lernen und auch über Sterne
und Planeten, die noch entstehen werden", erläutert Kim DeRose die Bedeutung der
Beobachtungen von RCW 38. DeRose, Hauptautorin eines Fachartikels, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal erscheint, hatte sich mit dem Haufen
während ihrer Zeit als Studentin am amerikanischen Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics beschäftigt.
Mit Hilfe des Instrumentes NACO am Very Large Telescope der ESO, das
über eine adaptive Optik verfügt, gelang Astronomen jetzt der bislang
detaillierteste Blick in RCW 38. Mit einer adaptiven Optik lassen sich
Luftunruhen aus dem Bild herausfiltern. Die Forscher konzentrierten sich auf
eine kleine Region des Haufens um den massereichen Stern IRS2, der in einem
grellen, bläulich-weißen Licht leuchtet. Die Beobachtungen ergaben, dass es sich
bei IRS2 nicht um einen, sondern um zwei Sterne handelt, die sich in einer
Entfernung umkreisen, die etwa der 500-fachen Entfernung der Erde von der Sonne
entspricht.
Das NACO-Bild zeigt auch einige Protosterne, also die nur schwach leuchtenden
Vorgänger von richtigen Sternen, sowie einige potentielle Sternkandidaten, die
sich bemühen, trotz der intensiven Strahlung von IRS2 zu richtigen Sonnen zu
werden. Einigen allerdings dürfte diese zum Verhängnis werden. Die Strahlung
kann nämlich dafür sorgen, dass sich das Material, das sich eigentlich zu einem
Stern zusammenfinden würde, wieder zerstreut. Auch Staubscheiben um junge
Sonnen, in denen eventuell einmal Planeten entstehen, laufen Gefahr durch die
Strahlung der massereichen Nachbarn wieder zerstört zu werden.
Um die überlebenden Sterne und in den sie umgebenden sogenannten
protoplanetaren Scheiben könnten dann eines Tages tatsächlich Planeten, Monde
und Kometen entstehen und damit vielleicht ein Sonnensystem wie das unsrige.
Doch die intensive Strahlung von massereichen Sternen ist nicht die einzige
Gefahr für junge Sonnen und protoplantare Scheiben: In dichtbesiedelten
Sternentstehungsregionen von RCW 38 gibt es auch unzählige weitere massereiche
Sterne, die mit ihrem nuklearen Brennstoff sehr verschwenderisch umgehen und
bald schon als Supernovae explodieren. Die dabei entstehenden seltenen Elemente
und exotischen Isotope werden durch die Wucht der Explosion über die gesamte
Umgebung verteilt und schließlich in die nächste Sternengeneration mit
eingebaut.
Die während Supernova-Explosionen entstehenden Elemente haben Astronomen auch
in unserer Sonne nachweisen können. Sie folgern daher, dass auch unsere Sonne
einmal in einem Haufen wie RCW 38 entstanden ist und nicht etwa in einer
einsamen Region der Milchstraße. "Die Details, die man mit Hilfe der adaptiven
Optik erkennen kann, sind für unser Verständnis von der Entstehung von Sternen
und Planeten in solchen komplexen und chaotischen Regionen wie RCW 38 ungemein
wichtig", so Dieter Nürnberger von der ESO, der auch an den Beobachtungen
beteiligt war.
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