Milchstraße überlebte nur durch Dunkelmaterie
von Stefan Deiters astronews.com
1. Juli 2009
Unsere Milchstraße überstand ihre Jugendzeit nur dank eines
schützenden Polsters aus Dunkler Materie. Darauf deuten zumindest neue, jetzt
vorgestellte kosmologische Simulationen hin. Viele kleinere Galaxien konnten der
Hitze im jungen Universum allerdings nicht standhalten und verdampften.
Deswegen, so die These, gibt es in unserer Umgebung auch so wenige
Zwerggalaxien.
Unsere
Milchstraße: Überlebt nur durch Dunkelmaterie?
Bild: NASA / JPL-Caltech |
Unsere Milchstraße verdankt ihre Existenz einem schützenden
"Polster" aus Dunkelmaterie. Zu diesem Ergebnis kam jetzt eine Studie, die unter
der Leitung von Wissenschaftlern des Institute for Computational Cosmology
der Durham University durchgeführt und heute auf einer Tagung
vorgestellt wurde. Danach gelang es der jungen Milchstraße nur dank einer großen
Ansammlung von Dunkelmaterie genug Gas zusammenzuhalten, um auch weiterhin
Sterne bilden zu können. Wäre diese Dunkelmaterie nicht in dieser Menge
vorhanden gewesen, wäre dieses Gas wegen der hohen Temperaturen im Universum
nach "Zünden" der ersten Sterne einfach verdampft.
Dieses Schicksal ereilte offenbar kleinere Galaxien, die sich im Inneren von
weniger umfangreichen Ansammlungen von Dunkelmaterie zu bilden begonnen hatten.
Sie konnten den Temperaturen von 20.000 bis 100.000 Grad Celsius nicht
standhalten und verschwanden. Nach Ansicht der Astronomen handelt es sich beim
größten Teil der Masse des Universums um Dunkelmaterie. Dieser wird eine
entscheidende Rolle bei der Entstehung von Strukturen im Weltall zugeschrieben.
Ziel der Simulation der im Virgo Consortium zusammengeschlossenen
Wissenschaftler war es, eine Antwort auf ein großes Rätsel der Kosmologie zu
finden: Bisherige Modelle über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien
hatten nämlich ergeben, dass es eigentlich eine Unmenge von kleineren
Satellitengalaxien der Milchstraße geben müsste. Gefunden hat man allerdings bei
weitem nicht so viele Begleiter unserer Heimatgalaxie wie vorhergesagt.
Eine Erklärung könnte nun die neue Simulation liefern: Die Strahlung der
ersten Sterne und Schwarzen Löcher im Universum sorgte dafür, dass das Gas in
den kleinere Dunkelmaterie-Ansammlungen verdampfte und in diesen keine Sterne
und damit auch keine richtigen Galaxien entstehen konnten.
"Die Gültigkeit des Standardmodells für unser Universum hängt ganz
entscheidend davon ab, ob wir eine befriedigende Erklärung dafür finden können,
warum die Milchstraße so wenige Begleitgalaxien hat", verdeutlicht Professor
Carlos Frank, Direktor des Institute for Computational Cosmology der
Durham University die Bedeutung der Studie. "Die Simulation zeigt, dass
Hunderttausende von kleineren Dunkelmaterie-Klumpen um die Milchstraße kreisen
sollten, aus denen keine Galaxien wurden."
"Wir können zeigen, dass es für diese Galaxienkandidaten nahezu unmöglich
war, die von den ersten Sternen und schwarzen Löchern erzeugte Hitze zu
überstehen", erklärt Frank weiter. "Die Hitze verdampfte das Gas aus den kleinen
Dunkelmaterie-Ansammlungen und verödete sie so. Nur einige Dutzend Galaxien, die
schnell genug mit der Bildung von Sternen waren, haben es geschafft, diese Phase
zu überleben."
Nach Ansicht der Wissenschaftler stellt diese Erklärung für die Entstehung
der Galaxien und das Fehlen der Zwerggalaxien eine weitere Unterstützung für die
These dar, dass unser Universum von sogenannter kalter Dunkler Materie dominiert
wird - also von bislang unentdeckten Teilchen, die sich nur durch ihre
Gravitationswirkung bemerkbar machen. Dabei könnte es sich etwa um ein noch
nicht aufgespürtes Elementarteilchen handeln, das man etwa mit den neuen
Experimenten am Genfer CERN zu finden hofft.
"Herauszufinden was Dunkelmaterie ist, ist nicht nur eine der
drängendsten Aufgaben der Wissenschaft überhaupt, sondern auch
entscheidend für das Verständnis der Entstehung von Galaxien," so Frank.
Und Teamkollege Takahashi Okamoto von der Universität im japanischen
Tsukuba ergänzt: "Unsere Versuche, realistische Galaxien am Computer zu
modellieren sind noch in einem frühen Stadium, aber diese Ergebnisse
sind schon sehr ermutigend."
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