Explodierte Riesenstern zu früh?
von Stefan Deiters astronews.com
24. März 2009
Mithilfe von Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble
wurde jetzt der Vorgängerstern einer Supernova identifiziert, die im Jahr 2005
zu beobachten war. Der Stern war vor seiner Explosion über eine Millionen Mal heller als unsere Sonne
und eigentlich deutlich zu jung für ein solch explosives Ende.
Stimmen also die Theorien über die Entwicklung äußerst massereicher Sterne
nicht?
Die Galaxie NGC
266 mit der Supernova SN 2005gl (oben), darunter
das Hubble-Archivbild von 1997 (links), die
Supernova selbst (Mitte) und die
Hubble-Nachbeobachtung von 2007 (rechts). Bild: Puckett Observatory / NASA, ESA und
A. Gal-Yam (Weizmann Institute of Science,
Israel), D. Leonard (San Diego State University)
und D. Fox (Penn State University) [Großansicht] |
"Unser Fund könnte bedeuten, dass unsere Modelle über die Entwicklung
von massereichen Sternen noch einen fundamentalen Fehler enthalten", fasst Avishay Gal-Yam vom
Weizmann Institute of Science im israelischen Rehovot die
Ergebnisse des Forscherteams zusammen, die jetzt in der Onlineausgabe der
Fachzeitschrift Nature erschienen sind. Der explodierte Stern, dessen
Ausgangsmasse auf etwa die 100-fache Masse unserer Sonne geschätzt wird, wäre
nämlich nach den aktuellen Theorien noch zu jung gewesen, um als Supernova zu
explodieren. Für ein solch dramatisches Ende im Leben eines Sterns ist, so
zumindest die bisherige Ansicht, ein massereicher Eisenkern im Inneren des
Sterns notwendig, der aus der nuklearen Asche entsteht. Eine Implosion dieses
Kerns löst dann die Supernova-Explosion aus.
Die Supernova SN 2005gl wurde am 5. Oktober 2005 in der Balken-Spiralgalaxie
NGC 266 beobachtet. Auf Bildern aus dem Hubble-Archiv aus dem Jahre 1997 befand
sich an dieser Stelle ein extrem helles Objekt, bei dem es sich vermutlich um
einen Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen (kurz LBV) handelte, "weil kein
anderer Sternentyp sonst so hell ist", erklärt Gal-Yam. Im Laufe seiner
Entwicklung stößt ein LBV große Teile seiner Masse durch einen heftigen
Sternenwind ins All ab. Erst dann kann sich ein großen Eisenkern entwickeln und
der Stern letztlich als Supernova explodieren.
Nach den gängigen Theorien sollten extrem massereiche Sterne mit einer Masse
von der 100-fachen Masse der Sonne oder mehr zunächst ihre gesamte
Wasserstoff-Hülle verlieren, bevor sie als Supernova enden. Eta Carinae ist
beispielsweise ein Stern in unserer Milchstraße, dem die Astronomen dieses
Schicksal vorhersagen. "Die jetzigen Beobachtungen zeigen deutlich, dass viele
Details über die Entwicklung und das Schicksal von LBVs noch im Dunklen liegen",
urteilt Supernova-Experte Mario Livio vom Space Telescope Science Institute im
amerikanischen Baltimore.
"Der Fund des Vorgängersterns von SN 2005gl zeigt, dass zumindest in einigen
Fällen, massereiche Sterne explodieren können, bevor sie den größten Teil ihrer
Wasserstoffhülle ins All abgestoßen haben", erläutert Team-Mitglied Douglas
Leonard vom der San Diego State University. "Das deutet darauf hin, dass die
Entwicklung des Kerns und der Hülle weit weniger gekoppelt sind, als man das
bislang angenommen hat und das man die Theorie über die Entwicklung von Sternen
möglicherweise überarbeiten muss."
Es gibt allerdings noch eine andere Möglichkeit: Bei dem Vorgängerstern von
SN 2005gl könnte es sich um ein verschmelzendes Doppelsternsystem gehandelt
haben. Durch die Verschmelzung könnte die Kernfusion neuen Schwung bekommen und
der Stern dadurch heller gewirkt haben als er angesichts seines
Entwicklungsalters eigentlich hätte sein sollen. Doch auch dies löst nicht alle
Probleme: "Auch das deutet darauf hin, dass es noch einen anderen Mechanismus
geben könnte, durch den Supernova-Explosionen ausgelöst werden", so Gal-Yam.
"Vielleicht haben wir etwas sehr Wesentliches in der Massenverlustphase von sehr
hellen Sternen übersehen."
Nach Gal-Yams Analyse ist nur ein sehr kleiner Teil der Masse des Sterns bei
der Explosion ins All geschleudert worden. Das meisten Material wurde vom
kollabierenden Kern angezogen, so dass sich an dieser Stelle jetzt wohl ein
Schwarzes Loch mit einer Masse von mindestens zehn bis 15 Sonnenmassen befindet.
Die Astronomen hatten den Vorgängerstern auf Hubble-Archivbildern von NGC 266
aus dem Jahr 1997 entdeckt. Mit dem Keck-Teleskop bestimmten sie dann die genaue
Position von SN 2005gl und überprüften anschließend mit Hubble, ob der
leuchtkräftige Stern tatsächlich verschwunden war. Um ganz sicher zu gehen,
verwendeten sie bei ihren Beobachtungen im Jahr 2007 sogar das gleiche
Instrument, das auch 1997 verwendet worden war, die Wide Wield and Planetary
Camera 2.
Bislang wurden nicht viele Vorgängersterne von Supernova-Explosionen in den
Archiven der Teleskope entdeckt. Zwar gibt es einige Kandidaten, zweifelsfrei ist
die Entdeckung allerdings nur für den Vorgängerstern der Supernova SN 1987A
gelungen.
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