Gewaltige Schwarze Löcher die Regel?
von Stefan Deiters astronews.com
27. Oktober 2008
Im Zentrum fast jeder Galaxie verbirgt sich nach Ansicht der
Astronomen ein supermassereiches Schwarzes Loch. Neue Beobachtungen deuten jetzt
darauf hin, dass dies auch schon vor zwölf Milliarden Jahren der Fall gewesen
sein muss, als unser Universum nur 1,7 Milliarden Jahre alt war. Astronomen
folgerten dies aus einem überraschenden Fund in großer Entfernung.
So stellt sich
ein Künstler das ferne Galaxienduo vor. Die linke
Galaxie hat schon ihr Gas verbraucht und es
entstehen keine Sterne mehr. In der rechten
Galaxie, die von Gas und Staub eingehüllt ist,
entstehen noch zahlreiche neue Sonnen.
Bild: David A. Hardy/UK ATC [Großansicht] |
Die Galaxie 4C60.07 ist den Astronomen zunächst wegen ihrer starken Strahlung im
Radiobereich aufgefallen. Diese deuteten die Wissenschafter als Zeichen dafür, dass man es mit einem
sogenannten Quasar zu tun hat, also einer Galaxie, in deren Zentrum sich ein
gewaltiges Schwarzes Loch befindet, das gerade dabei ist, enorme Mengen
an Gas zu verschlingen.
Nach den ersten Untersuchungen von 4C60.07 glaubte man, dass sich in
dem Gas um das Schwarze Loch gerade Unmengen von neuen Sternen bilden.
In jedem Jahr, so errechneten die Forscher, müssen hier rund 5.000 neue
Sonnen entstehen. Sie folgerten dies aus dem infraroten
Schein der Trümmer, die massereiche Sterne hinterlassen, wenn sie nach
einem kurzen nuklearen Leben als Supernova explodieren.
Doch offenbar waren die Schlussfolgerungen voreilig: Mit Hilfe des
Submillimeter Array, einer Anordnung von acht Radioantennen auf Hawaii,
nahmen die Astronomen 4C60.07 erneut unter die Lupe. Das überraschende
Ergebnis: In der fernen Galaxie entstehen gar keine Sterne. Sie scheint
eher relativ "alt" und ruhig zu sein. Die entdeckte
Sternentstehungsaktivität findet in einer anderen Galaxie statt, die man
zuvor nicht gesehen hatte. Diese verfügt über große Mengen an Gas, ist
hinter Staub verborgen und hat in ihrem Zentrum auch ein supermassereiches
Schwarzes Loch.
"Die neuen Bilder zeigen uns zwei Galaxien, wo wir eigentlich nur eine
erwartet hatten", erklärt Rob Ivison vom UK Astronomy Technology Centre.
"Bemerkenswert ist, dass beide Galaxien über gewaltige Schwarze Löcher
in ihrem Zentrum verfügen. Das wirft natürlich die Frage auf, wie viele
dieser enormen Schwarzen Löcher sich noch im entfernten
Universum verbergen." Ivison ist Hauptautor eines Fachartikels über die
Untersuchungen, der in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erscheinen wird.
Wegen ihrer großen Entfernung von rund zwölf Milliarden Lichtjahren beobachteten die Astronomen die
beiden entfernten Galaxien zu einer Zeit, in der unser Universum noch
nicht einmal zwei Milliarden Jahre alt war. Offenbar konnten die
Forscher verfolgen, wie 4C60.07 seinem Nachbarn gerade eine große Menge
an Gas entrissen hat. Heute dürften die beiden Galaxien längst zu einer
großen elliptischen Galaxie verschmolzen sein. Auch die beiden Schwarzen
Löcher werden sich wohl zu einem noch größeren Schwarzen Loch vereinigt
haben.
Die beiden Galaxien zeigen, so die Forscher, erstaunliche
Unterschiede: Während die eine Galaxie offenbar schon ihren gesamten
Gasvorrat verbraucht und schon alle Sterne produziert hat, verfügt die
andere Galaxie noch über beträchtliche Gasreserven und ist immer noch
dabei, neue Sterne entstehen zu lassen. "Die Galaxien sind zweieiige
Zwillinge. Jede hat etwa die Größe der Milchstraße und jede ist ganz einzigartig", so Steve Willner vom Harvard-Smithsonian Center
for Astrophysics, der auch an der Studie beteiligt war. "Nur durch
die überragende Auflösung des Submillimeter Array konnten wir diese
Entdeckung überhaupt machen."
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