Quantenphysik im
Erdmantel
von
Rainer Kayser
25. September 2007
In einer Tiefe von 650 bis 2.800 Kilometern, im so genannten
unteren Erdmantel, beeinflussen Quanteneffekte im Eisen die Eigenschaften des
Gesteins stärker als bislang gedacht. Zu diesem Schluss kommt ein Team
amerikanischer Forscher nach Hochdruckexperimenten mit dem eisenhaltigen Mineral Ferroperiklas.
Folgt daraus, dass die Modelle über den Aufbau des Erdinneren nicht mehr
stimmen?
Die Erde: Müssen die Daten aus dem Erdinneren
neu interpretiert werden?
Foto:
NSSDC / NASA |
Den Ergebnissen der Wissenschaftler zu Folge könnte es im unteren Erdmantel eine
ausgedehnte Übergangszone geben, in der sich die Materiedichte und die
Ausbreitungsgeschwindigkeit von seismischen Wellen erheblich ändern. Das könnte
wiederum bedeuten, dass die aus der Interpretation seismologischer
Daten gewonnenen Modelle vom inneren Aufbau unseres Planeten revidiert werden
müssen, so die Forscher im Fachblatt Science. "Je tiefer man kommt, desto größer werden Druck und Temperatur", erläutert
Viktor Struzhkin vom Geophysical Laboratory der Carnegie Institution of
Washington. "Unter diesen extremen Verhältnissen kommen sich die Atome und
Elektronen in dem Gestein sehr nahe und beginnen, sich seltsam zu verhalten. So
bilden bestimmte Elektronen im Eisen Paare."
Und diese Paare können energetisch
unterschiedliche Zustände einnehmen, je nachdem, ob ihr quantenmechanischer Spin
- eine Art Eigendrehung der Elementarteilchen - parallel oder antiparallel
zueinander ausgerichtet ist. Ändert sich dieser Spinzustand, so ändern sich auch
die Materialeigenschaften wie Dichte, Schallgeschwindigkeit und elektrische
Leitfähigkeit.
Struzhkin und seinen Kollegen ist es jetzt erstmals gelungen, das Mineral
Ferroperiklas - ein Mischkristall aus Magnesium- und Eisenoxid - unter Bedingungen zu untersuchen, die mit denen im unteren Erdmantel
vergleichbar sind. Dazu haben sie das Mineral in einer Diamantstempelzelle unter
einen Druck von bis zu 940.000 Atmosphären gesetzt und mit einem Laser auf bis
zu 1.730 Grad Celsius erhitzt. Dabei zeigte sich, dass der Übergang der Spinzustände in einem unerwartet großen Druckbereich auftritt. "Das deutet
darauf hin, dass die Spin-Übergangszone sich über einen Bereich von 1.000 bis
2.200 Kilometern Tiefe erstreckt", so Struzhkin.
Frühere Untersuchungen hatten dagegen vermuten lassen, dass die Übergangszone
sehr dünn ist. Allerdings waren diese Untersuchungen zwar mit hohen Drücken,
aber nur bei normaler Raumtemperatur durchgeführt worden. Noch ist allerdings
unklar, wie sich eine breitere Übergangszone konkret auf die Interpretation der
seismologischen Daten und damit auf die Modelle vom Ewqrdaufbau auswirkt. Denn Ferroperiklas ist lediglich das zweithäufigste Mineral im unteren Erdmantel.
"Das am häufigsten vorkommende Mineral Perowskit wurde bislang mit unserer
Methode nicht untersucht", sagt Struzhkin, "aber wir sind sicher, das eine
solche Untersuchung uns weitere Überraschungen liefern wird."
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