Theorie im Erdorbit bestätigt
Redaktion /
ESA-Pressemitteilung astronews.com
25. September 2007
Wenn es Forschern endlich gelingt, abstrakte Theorie auch
mit praktischen Experimenten zu untermauern, ist dies Anlass zur Freude: So
geschehen diese Woche, als ein Team aus italienischen und amerikanischen
Wissenschaftlern mit Hilfe eines fluidwissenschaftlichen Weltraumexperiments an
Bord der Foton-M3-Kapsel eine vor zehn Jahren erstellte Theorie
erstmals bestätigen konnte.
Falschfarbenaufnahmen aus dem
Einzelfluidexperiment: Zu sehen sind
Temperaturschwankungen in einer einfachen,
organischen Flüssigkeit auf der Erde (links) und
an Bord von Foton-M3 (rechts). Unter den
Bedingungen auf der Erde sind die Schwankungen
kaum erkennbar.
Bild:
ESA |
Obwohl sich die Kapsel Foton-M3 erst seit rund einer Woche in der
Umlaufbahn befindet, sorgen die Daten des Experiments GRADFLEX (GRAdient-Driven
FLuctuation EXperiment) unter Wissenschaftlern bereits jetzt für Aufregung,
denn die ersten Messungen stimmen mit den in den letzten zehn Jahren
erarbeiteten detaillierten theoretischen Voraussagen qualitativ überein.
Flüssigkeiten unterliegen grundsätzlich winzigen Temperatur- oder
Konzentrationsschwankungen, die auf die unterschiedliche Geschwindigkeit der
einzelnen Moleküle zurückzuführen sind. Diese Schwankungen sind jedoch in der
Regel so gering, dass man sie kaum beobachten kann. In den 1990er Jahren
entdeckten Wissenschaftler, dass diese winzigen Schwankungen in Flüssigkeiten
und Gasen steigen und sogar mit bloßem Auge wahrgenommen werden können, sobald
ein starkes Temperaturgefälle hergestellt wird.
Erreicht wird dies entweder, indem eine dünne Flüssigkeitsschicht von unten
erwärmt wird, und zwar gerade so, dass keine Konvektion entsteht, oder durch
Erwärmung der Flüssigkeit von oben, wobei Konvektion ebenfalls verhindert wird,
so dass genauere Messergebnisse erzielt werden können. Erste
Forschungsergebnisse konnten zwar bereits bei Experimenten am Boden gewonnen
werden, ein wesentlich deutlicheres Bild dieser Schwankungen wurde jedoch in
schwereloser Umgebung erwartet.
Mit der Foton-Mission bot sich nun die Gelegenheit, die Vorhersagen zu
überprüfen, und die vorausgesagten wie die tatsächlichen Ergebnisse erwiesen
sich als deckungsgleich. "Die ersten Aufnahmen des Experiments wurden zum
Nutzlastbetriebszentrum im schwedischen Kiruna gesendet und konnten bereits nach
wenigen Erdumrundungen am Boden empfangen werden", erläuterte Professor Marzio
Giglio, der einem Team aus Wissenschaftlern des Physikalischen Instituts der
Universität Mailand und des CNR-INFM (Istituto Nazionale per la Fisica della
Materia) vorsteht.
Die Aufnahmen erbrachten nun zur Freude der Wissenschaftler die visuelle
Bestätigung ihrer theoretischen Vorhersagen, denn sie zeigten einen deutlichen
Anstieg der Schwankungen. Die Datenanalyse ergab ferner einen erheblichen
Anstieg des Ausmaßes der Schwankungen in Bezug auf Temperatur und Konzentration.
"Es kommt nur selten vor, dass eine theoretische Vorhersage anhand einer
Weltraummission in einer derartigen Rekordzeit bestätigt werden kann", erklärte
Olivier Minster, Leiter der ESA-Abteilung für physikalische Grundlagenforschung.
"Diese Ergebnisse sind für uns deshalb so wichtig, da sie die von uns bereits
vor zehn Jahren vorhergesagten Auswirkungen erstmals beweisen."
"Die Aufnahmen aus der Foton-Kapsel ermöglichen eine Neuausrichtung
unserer Forschungen, so dass wir die wissenschaftliche Ausbeute dieser Mission
weiter optimieren können", so Professor David Cannell von der Universität von
Kalifornien in Santa Barbara (UCSB). "Nach Bergung der Experimente werden wir in
unseren Labors noch viele Tausend Aufnahmen zu analysieren haben, womit wir
sicherlich noch eine Weile beschäftigt sein werden." Und Giglio ergänzt: "Unsere
Ergebnisse könnten auch andere Bereiche der Schwerelosigkeitsforschung
beeinflussen, wie etwa das Wachstum von Kristallen, und vielleicht sogar neue
Technologien außerhalb der Raumfahrt ermöglichen."
GRADFLEX ist eines von 43 wissenschaftlichen und technologischen
ESA-Experimenten an Bord der zwölftägigen Foton-M3-Mission, die mit dem
Wiedereintritt der Kapsel in die Erdatmosphäre und der anschließenden Landung in
Kasachstan am 26. September zu Ende gehen wird (astronews.com berichtete). Die
Bordexperimente werden daraufhin wieder den einzelnen Forschungsinstituten
ausgehändigt, wo sie in den kommenden Monaten sorgfältig ausgewertet werden.
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