Fast 200 junge Sterne im Visier
von Stefan Deiters astronews.com
4. Juni 2007
Das europäische Röntgenteleskop XMM-Newton hat fast
200 Sterne untersucht, die sich noch in ihrer Entstehungsphase befinden.
Ausgestattet mit insgesamt über sieben Tagen Beobachtungszeit wollten die an dem
Projekt beteiligten Astronomen mehr über die komplizierten Vorgänge rund um die
Entstehung eines Sterns erfahren und auch ein Problem mit fehlender
Röntgenstrahlung lösen.
So stellt sich ein Künstler einen entstehenden
Stern mit seiner Akkretionsscheibe vor.
Bild:
ESA |
Die neuen Untersuchungen von XMM-Newton machen
eindrucksvoll deutlich, welche Rolle Magnetfelder bei der Sternentstehung
spielen. "Sternentstehung" so Manuel Guedel vom Schweizer Paul Scherrer
Institut, "ist ein Wettstreit zwischen der Gravitation und allem übrigen". Der
Astronom ist Leiter eines Projektes, das sich mit der Rolle von Magnetfeldern
bei jungen Sternen im Sternbild Stier befasst.
Die Vorgänge rund um die Entstehung eines Sterns sind äußerst kompliziert:
Die jungen Sonnen sind von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben. Für das
Material in dieser Scheibe gibt es, so die Meinung der Wissenschaftler, im
Wesentlichen drei Möglichkeiten: Entweder es findet - durch magnetische Trichter
- einen Weg auf die Oberfläche des Sterns oder es wird vom Magnetfeld der jungen
Sonne als Wind oder als Jet ins All geblasen. Die dritte Möglichkeit ist, dass
das Material in der Scheibe verbleibt und hier irgendwann für die Bildung von
Planeten zur Verfügung steht.
Guedel und 25 Kollegen aus aller Welt haben nun versucht, mit Hilfe des
europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton neue Details über die Vorgänge
um junge Sterne zu erfahren. Sie haben dazu ein nahegelegenes
Sternentstehungsgebiet im Sternbild Stier beobachtet. In dieser Molekülwolke
befinden sich über 400 junge Sterne. Die meisten dieser Sterne sammeln immer
noch Material aus ihrer Umgebung auf - die Wissenschaftler sprechen dabei von Akkretion und nennen die die Sterne umgebenden Scheiben daher auch
Akkretionsscheiben.
Wenn Material auf die Oberfläche eines Sterns trifft, verdoppelt sich dadurch
in der Regel die Temperatur von etwa 5.000 auf 10.000 Grad Celsius. Es kommt zu
einer deutlichen Zunahme der Abstrahlung von ultravioletter Strahlung, die von
XMM-Newtons Optical Monitor aufgezeichnet werden kann. Astronomen haben
immer vermutet, dass die gleichen Prozesse, die zum Entstehen der ultravioletten
Strahlung führen, auch für eine erhöhte Röntgenstrahlung sorgen sollten. Doch
deuteten Beobachtungen immer darauf hin, dass gerade junge Sterne, die noch
Material aufsammeln, nicht mehr, sondern weniger Röntgenstrahlen abstrahlen.
Dieses Rätsel wollten nun die Astronomen mit Hilfe eines großen
Beobachtungsprogramms lösen. Die Forscher hatten dazu mehr als sieben Tage
Beobachtungszeit mit XMM-Newton zur Verfügung. Und tatsächlich scheint
sich der Aufwand gelohnt zu haben: "Wir haben zwar nicht die erwartete
Röntgenstrahlung gefunden, die von Stoßwellen an der Oberfläche einiger Sterne
erzeugt werden sollte", so Guedel. Dafür entdeckten die Astronomen aber Hinweise
darauf, dass das auf den Stern fallende Material die heiße Atmosphäre abkühlt
und so die Abstrahlung von Röntgenstrahlen unterdrückt.
Bei besonders massereichen jungen Sternen entdeckten die Astronomen sogar
noch einen weiteren Effekt: Hier werden offenbar nicht nur die äußeren
Atmosphärenbereiche gekühlt. Zusätzlich ist das auf den Stern strömende
Gas so dicht, dass es große Teile der Röntgenstrahlung absorbiert. Einziges
Problem: So dichte Gasströme sollten auch beträchtliche Mengen an Staub
enthalten, die die Sichtbarkeit des Sterns im optischen Bereich verringern
müssten - nur wurde das nicht beobachtet. Doch auch dafür haben die Forscher
eine Erklärung: "Der Staub wird so sehr aufgeheizt, dass er verdampft bevor er
überhaupt auf den Stern treffen kann", so Guedel.
Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftler bei diesen massereichen jungen
Sternen zusätzlich eine bislang unbekannte Quelle von Röntgenstrahlung: "Diese
muss von außerhalb des Akkretions-Materieflusses kommen", so Guedel. Vermutlich
würde Gas, das vom Stern wieder ins All ausgestoßen wird, Stoßwellen erzeugen,
die zu einem beträchtlichen Temperaturanstieg führen. Alle Ergebnisse der
XMM-Newton-Untersuchungen der Molekülwolke im Stier sind in der aktuellen
Ausgabe der europäischen Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics
veröffentlicht.
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