Drei Jahre Stereo-Bilder vom Mars
Redaktion / DLR
astronews.com
11. Januar 2007
Grund zum Feiern in Berlin: Gestern vor genau drei Jahren
nahm die High Resolution Stereo Camera (HRSC) an Bord der Raumsonde
Mars Express ihre ersten Bilddaten von unserem Nachbarplaneten auf. Nach
nunmehr 3.800 Marsumrundungen hat die Kamera eine Fläche größer als Nord- und
Südamerika in einer Auflösung von zehn bis zwanzig Metern pro Bildpunkt in Farbe
und in "3-D" aufgenommen.
In der Nähe des Nordpols des Mars befindet sich ein etwa 30
Kilometer großer Einschlagkrater, dessen Inneres von blankem
Wassereis bedeckt ist. Auch östlich des Kraters ist der
Marsboden von einer dünnen Frostschicht überdeckt. Um den Krater
befinden sich ausgedehnte dunkle Dünenfelder. Die Bilddaten
wurden am 23. November 2006 während des 3696. Orbits von Mars
Express aufgezeichnet. Foto: Copyright ESA/DLR/FU Berlin
(G. Neukum) [Großansicht] |
"Nach fast 4.000 Marsumrundungen funktioniert das Instrument noch absolut
einwandfrei", freut sich Experimentmanager Ralf Jaumann vom DLR-Institut für
Planetenforschung in Berlin-Adlershof über die Zuverlässigkeit der HRSC, "und es
spricht nichts dagegen, dass die HRSC noch viele weitere Jahre ihren Dienst
verrichten wird".
Auch der wissenschaftliche Leiter des HRSC-Experiments, der Principal
Investigator (PI) Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin gibt sich
zuversichtlich, dass zumindest die bis zum Ende dieses Jahres gesteckten Ziele
erreicht werden können: "Wir werden dann mehr als fünfzig Prozent des Mars in
sehr hoher Auflösung, in Farbe und vor allem in '3-D' kartiert haben", erklärt
der Wissenschaftler. "Gemeinsam mit den Leitern der anderen sechs Experimente
auf Mars Express streben wir jedoch eine zweite Verlängerung der Mission
an: Wir wollen so viel Oberfläche wie möglich in der für die HRSC
höchstmöglichen Auflösung von zehn bis zwanzig Metern pro Pixel aufzeichnen."
Die ESA wird Ende Februar über eine weitere Verlängerung von Mars Express
entscheiden.
In einem von der Raumfahrt-Agentur des DLR ab 2007 speziell gefördertem Projekt
werden die komplexen Bilddaten gemeinsam von DLR und der Freien Universität
Berlin zu einem globalen 3-D-Bildkartenwerk aufgearbeitet. Damit wird weltweit
allen Marswissenschaftlern in den kommenden Jahren der Zugriff auf so genannte
digitale Geländemodelle ermöglicht: Die HRSC wird einen topographischen
Datensatz der Marsoberfläche in bisher nicht vorhandener Qualität erzeugen. Die
Aufnahmen der Stereokamera in Auflösungen von zehn bis hundert Metern pro Pixel
decken inzwischen etwa zwei Drittel der Marsoberfläche ab. Ziel des
Kameraexperiments ist es, bis zum vorläufigen Missionsende von Mars Express
am 31. Oktober 2007 die Hälfte des Planeten in einer Auflösung von 10-20 Metern
pro Pixel dreidimensional und in Farbe abgetastet zu haben.
Mit neun lichtempfindlichen, quer zur Flugrichtung angeordneten Sensorzeilen
scannt die am DLR unter der Leitung des Principal Investigator
entwickelte und gemeinsam mit deutschen Industriepartnern gebaute Kamera die
Marsoberfläche unter verschiedenen Blickwinkeln und in vier Farbfiltern in
Bildstreifen ab, die viele hundert Kilometer lang sind. Erwartungsgemäß
überstand die HRSC Ende 2006 auch problemlos zum zweiten Mal eine Phase, als der
Mars hinter der Sonne verschwand und die Kamera zur Sicherheit für einige Wochen
abgeschaltet blieb. Das HRSC-Projekt ist das bislang umfangreichste deutsche
Experiment auf einer Planetenmission.
Bereits am 10. Januar 2004, während des zehnten Orbits von Mars Express –
als die Umlaufbahn vom Bodenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt noch fein
justiert wurde – nahm die HRSC ihren ersten Bildstreifen von 700 Kilometer Länge
auf. Wenige Stunden später trafen die digitalen Bildsignale via Darmstadt beim
HRSC-Experiment-Team im DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin ein und
ließen erste Details der Marslandschaft auf dem Monitor erkennen – unter
begeisterter Anteilnahme der beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure.
"Auch heute, im Routinebetrieb, entdecken wir in den neuen Bildern immer wieder
phantastische, vor allem wissenschaftlich hoch interessante Details", freut sich
Gerhard Neukum. Nach drei Jahren hat die HRSC 45 Millionen Quadratkilometer in
einer Auflösung zwischen zehn und zwanzig Metern pro Pixel aufgenommen. Das sind
31 Prozent der 145 Millionen Quadratkilometer messenden Marsoberfläche, die in
etwa so groß ist wie die Fläche aller Kontinente auf der Erde zusammengenommen.
Besser als 40 Meter pro Pixel wurden knapp 80 Millionen Quadratkilometer
aufgezeichnet (54,4 Prozent): Das entspricht etwa der achtfachen Fläche Europas.
Insgesamt wurden 68 Prozent oder fast 100 Millionen Quadratkilometer erfasst.
Experimentmanager Ralf Jaumann: "Mit einer Länge von 4.000 Kilometern haben wir
das größte je im Sonnensystem aufgenommene Bild erzeugt!"
Hierzu wurden etwa 1,5 Terabyte an komprimierten Rohdaten von Mars Express
zur Erde übertragen. Das HRSC-Experiment-Team in Berlin-Adlershof dekomprimiert
und kalibriert die Rohdatenpakete und prüft sie zunächst auf kleine Datenfehler.
Das Experiment-Team rechnet dann alle Daten in die geometrische Projektion von
Bildkarten um. Anschließend werden aus der Kombination verschiedener HRSC-Kanäle
so genannte "digitale Geländemodelle" generiert, womit die dritte Dimension
sichtbar gemacht wird und in den Bilddaten Höhenmessungen vorgenommen werden
können. Die unterschiedlichen Datenprodukte werden nach etwa einem halben Jahr
weltweit allen Wissenschaftlern über Datenarchive der ESA und NASA zur Verfügung
gestellt.
Mars Express erreichte den mindestens 55 Millionen Kilometer von der Erde
entfernten äußeren Nachbarplaneten nach einem sechsmonatigen Flug am 25.
Dezember 2003. Ursprünglich war die Mission nur auf ein Marsjahr ausgelegt, was
zwei Erdenjahren entspricht. Aufgrund des großen wissenschaftlichen Erfolgs der
Mission beschloss die ESA eine erste Verlängerungsphase für die Jahre 2006 und
2007.
Neben Mars Express befinden sich außerdem die beiden NASA-Sonden Mars
Odyssey (Ankunft am Mars am 24. Oktober 2001) und Mars Reconnaissance
Orbiter (Ankunft am 10. März 2006) aktiv in einer Umlaufbahn. Erst kürzlich
verlor die NASA den Kontakt zum Orbiter Mars Global Surveyor, einem zehn
Jahre alten, ausgesprochen erfolgreichen "Marsveteranen" (astronews.com
berichtete). Fast genauso lang wie Mars Express, nämlich seit Januar
2004, rollen mit Spirit und Opportunity zwei NASA-Rover langsam
über den trockenen Marsboden. Sämtliche Marsmissionen stehen nicht zueinander in
Konkurrenz, sondern ergänzen sich gegenseitig im Rahmen eines weltweiten Mars
Explorationsprogramms. Hierbei bilden die 3-D-Bilddaten der HRSC die Grundlage
für ein erstes den ganzen Mars umspannendes topographisches Kartenwerk.
Seit den ersten Aufnahmen werden die HRSC-Bilder aber auch zur Beantwortung
zahlreicher wissenschaftlicher Fragestellungen herangezogen: So konnte das
45-köpfige HRSC-Wissenschaftsteam anhand der Spuren, die Gletscher, Wasserläufe
und stehende Gewässer vor Millionen oder Milliarden von Jahren auf der heute
trockenen Oberfläche hinterlassen haben, einige Klarheit in die Diskussion
bringen, wann und wo Wasser und Eis die Marsoberfläche gestalteten – nämlich
hauptsächlich in der Frühzeit des viereinhalb Milliarden Jahre alten Planeten.
Auch bei der Auswahl zukünftiger Landeplätze unbemannter Marssonden werden die
topographischen Bildkarten Verwendung finden. So plant die ESA zu Beginn des
kommenden Jahrzehnts im Rahmen ihres Aurora-Programms zur intensiven
Erkundung des Erdmondes und insbesondere des Mars mit dem Projekt ExoMars
eine so genannte "Flaggschiffmission" zu unserem Nachbarplaneten. ExoMars
wird unter anderem mit einem über weite Geländestrecken beweglichen Rover die
nach wie vor ungeklärte Frage nach früherem oder sogar noch heute existentem
Leben auf dem Mars zu beantworten versuchen. Das DLR wird an ExoMars mit
verschiedenen wissenschaftlichen Beiträgen und technischen Entwicklungen
mitwirken; auch das Team an der Freien Universität Berlin wird eine
wissenschaftliche Beteiligung haben.
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