Ohne Sauerstoff kein höheres Leben
Redaktion / MPG
astronews.com
3. Januar 2007
Zwischen dem Anteil an Sauerstoff in der Atmosphäre und der
Entwicklung höherer Organismen besteht offenbar ein direkter Zusammenhang. Auf
diesen Sachverhalt machte nun ein Team deutscher Wissenschaftler aufmerksam.
Erst als sich der Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre nachhaltig erhöht hatte,
konnten bestimmte Proteine entstehen, die für die Kommunikation der Zelle mit
ihrer Umgebung verantwortlich sind.
Biologische Zellen besitzen eine Zellmembran,
mit der sie sich von der Umwelt abgrenzen, durch
die sie aber auch mit ihr und anderen Zellen
kommunizieren können. Diese Aufgabe erfüllen
Membranproteine. Die nach außen ragenden
Strukturen dieser Proteine haben vielfach
Rezeptor-Funktion und erkennen zum Beispiel
Hormone und andere Signalstoffe. Foto:
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung,
Elmon Schmelzer
|
Zwischen dem Anteil an Sauerstoff in der Atmosphäre und der Entwicklung höherer,
durch Kompartimente strukturierte Zellen und Organismen besteht ein direkter
Zusammenhang. Über diese Entdeckung berichteten Wissenschaftler vom
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln und der Berliner Charité kurz
vor Weihnachten in der Fachzeitschrift Nature. Speziell an den für die
Kommunikation der Zellen mit ihrer Umgebung unerlässlichen Transmembranproteinen
konnten die Forscher nachweisen, dass deren Anzahl, Komplexität und
Funktionalität im Laufe der Evolution erst dann angestiegen ist, als sich der
Sauerstoffgehalt der Atmosphäre nachhaltig erhöht hat.
Der Anteil an atmosphärischem Sauerstoff war bis vor ungefähr 3.000 Millionen
Jahren auf der Erde sehr niedrig. Später kam durch die Photosynthese in einer
vergleichsweise kurzen Zeit viel Sauerstoff in die Atmosphäre, dessen Anteil in
den vergangenen 1.000 Millionen Jahren etwa 15 bis 25 Prozent betrug. Die
Wissenschaftler um Claudia Acquisti und Sinead Collins haben nun den
Sauerstoffanteil von Proteinen der Zellmembran von Lebewesen mit Zellkern und
Zellmembran, so genannte Eukaryoten, und einfacheren Prokaryoten verglichen.
Dabei stellten sie fest, dass die Membranproteine von Eukaroyten mehr Sauerstoff
enthalten als die der Prokaryoten.
In der Evolution der Zellen - vom prokaryotischen Einzeller zum Eukaryoten - war
die Entstehung von Zellunterteilungen oder Zellkompartimenten der wichtigste
Schritt. Er machte es aber auch erforderlich, dass die Zellen durch die Membran
hindurch kommunizieren können. Diese Funktion erfüllen die so genannten
Transmembranproteine. Transmembranproteine bestehen aus drei verschiedenen
Regionen: die innere Region, die nur Kontakt zum geschützten Milieu des
Zellplasmas hat, die mittlere Region, die sich in der Zellmembran befindet, und
die äußere Region, die als Rezeptor fungiert und Signale von außen empfangen
kann.
Bei Prokaryoten ist diese äußere Region der Membranmoleküle sehr klein. Die
Wissenschaftler begründen das mit der Sauerstoff reduzierenden Umgebung, die
sofort den außerhalb der Zelle gelegenen Teil der Membranproteinstruktur
zerstören würde. Also lebten die Prokaryoten damit, nur begrenzt mit ihrer
Umwelt kommunizieren zu können.
Demgegenüber haben Organismen, die sich erst dann entwickelten als das
Luftsauerstoffniveau höher war, Transmembranproteine mit großen extrazellularen
Proteindomänen, die außerdem auch mehr Sauerstoff enthalten. Die Kölner
Max-Planck-Wissenschaftler kommen daher zu der These, dass der Prozentsatz an
Luftsauerstoff ein limitierender Faktor für bestimmte Evolutionsereignisse
gewesen sein muss, wie etwa die Kompartimentierung von Zellen.
In ihren wissenschaftlichen Untersuchungen setzten die Forscher den
Sauerstoffgehalt der Transmembranproteine, die Größe der Proteindomänen und das
atmosphärische Sauerstoffniveau zu verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte sowie
das evolutionäre Alter von Organismen miteinander in Korrelation. Ihre
Berechnungen zeigen, dass die Sauerstoffbeschränkung auch den Zeitpunkt
bestimmte, zu dem eukaryotische Zellen entstanden sind.
"Die natürliche Selektion hätte sich gegen die Entwicklung großer
extrazellulärer Proteinstrukturen entschieden, die unter den damaligen
Bedingungen nicht stabil gewesen wären", erläutert Sinead Collins. Fasziniert
ist die junge Wissenschaftlerin von dem Fakt, dass dieses Forschungsprojekt ohne
die Zusammenarbeit von Experten verschiedener Fachrichtungen - in diesem Fall
von Mathematikern, Bioinformatikern und Evolutionsbiologen - überhaupt nicht
möglich gewesen wäre.
|