Unzählige Galaxien im jungen Universum
von Stefan
Deiters
astronews.com
27. September 2005
Im jungen Universum konnten offenbar sehr viel eher und in größerem Umfang
Galaxien entstehen als bislang gedacht. Ein Team von französischen und italienischen
Astronomen entdeckte nämlich jetzt mit dem Very Large Telescope (VLT) der
ESO eine große und bislang unbekannte Population von entfernten Galaxien, die
wir zu einer Zeit sehen, als das Universum erst 10 bis 30 Prozent seines jetzigen
Alters hatte.
In diesem drei mal drei Bogenminuten großen Feld im Sternbild
Walfisch entdeckte das Astronomenteam 13 entfernte Galaxien
(Kreise).
Foto: LAM-OAMP / CFHT [Großansicht] |
Die Entdeckung gelang den Astronomen mit dem Visible Multi-Object
Spectrograph (VIMOS) im Rahmen der VLT VIMOS Himmelsdurchmusterung,
die Anfang 2002 an einem der vier 8,2 Meter-Teleskope des VLT begonnen wurde.
Unter den insgesamt 8.000 Objekten, die nur anhand ihrer Helligkeit im roten
Bereich des Spektrums ausgewählt wurden, entdeckten die Forscher 1.000 helle
Galaxien, in denen gerade mit einer hohe Rate neue Sterne geboren werden. Alle diese
Galaxien entstanden vor neun bis zwölf Milliarden Jahren und damit nur 1,5 bis
4,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall.
"Zu unserer großen Überraschung waren das zwei bis sechs Mal mehr Galaxien,
als bei früheren Durchmusterungen entdeckt wurden", erläutert Olivier Le Fèvre
vom Laboratoire d'Astrophysique des Marseille, einer der beteiligten Forscher.
"Diese Galaxien hatte man zuvor übersehen, weil man die Galaxien früher nach
viel strikteren Kriterien ausgewählt hatte, um auf die noch nicht so effizienten
Instrumente Rücksicht zu nehmen."
Bislang waren die Astronomen, basierend auf Beobachtungen und
Modellrechnungen, davon ausgegangen, dass in den ersten Milliarden Jahren des
Universums keine größeren Mengen von Sternen entstanden sind. Die neuen Daten
lassen nun an dieser Lehrmeinung Zweifel aufkommen und deuten darauf hin, dass
Sterne zwei bis drei Mal schneller in der Geschichte des Weltalls entstanden
sind als bislang angenommen. "Diese Beobachtungen werden eine gründliche
Neubetrachtung unserer Theorien über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien
im Universum nötig machen", unterstreicht Gianpaolo Vettolani aus dem
italienischen Bologna die Bedeutung der Entdeckung seines Teams.
Das Astronomenteam, das von Vettolani und Le Fèvre gemeinsam geleitet wird, studiert
die Geschichte von Galaxien von den frühsten Anfängen bis in unserer Zeit. Sie
haben dafür speziell zugeschnittene Instrumente entwickelt, und das Know-how der
Gruppe floss auch beim Bau des VIMOS-Instrumentes mit ein. Mit VIMOS können
Astronomen während nur einer Beobachtung von wenigen Stunden gleichzeitig die
Entfernung und Eigenschaften von bis 1.000 Galaxien messen - eine Aufgabe, die
vor wenigen Jahren mehrere Monate benötigt hätte.
Mit VIMOS sind die Forscher in
der Lage in einer bestimmten Himmelsregion "einfach" alle Galaxien zu
beobachten, die heller sind als 24 Magnituden im Roten. Das entspricht einer
Helligkeit, die rund 16 Millionen mal geringer ist, als was das menschliche Auge
gerade noch so erkennen kann. VIMOS nimmt für jede der Galaxien ein
Spektrum auf. Aus der gemessenen Rotverschiebung lässt sich dann die Entfernung
bestimmen.
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