Europas Weltraumorganisation wird 30 (2)
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Die Unterzeichnung des ESA-Vertrages in Paris am 30. Mai 1975.
Foto:
ESA
Europas erste Rakete: Europa - ein Misserfolg. Foto: ESA |
Der Erfolg der europäischen Raumfahrt ist umso bemerkenswerter, als er vor dem
Hintergrund divergierender Interessen zwischen Wissenschaft, Politik und
Wirtschaft einerseits und den national geprägten Vorstellungen der verschiedenen
europäischen Staaten andererseits zustande kam. Mit anderen Worten: Vor 40
Jahren war Europa noch in einer Lernphase. Das zeigte sich insbesondere daran,
dass es zwei zwischenstaatliche europäische Organisationen für die Entwicklung
und den Bau wissenschaftlicher Satelliten (ESRO) sowie die Entwicklung eigener
Trägerraketen (ELDO) gab.
Paradoxerweise führte der erste erfolgreiche Satellitenstart der ESRO am 17.
Mai 1968 zugleich in eine erste innere Krise der Organisation. Kernpunkt der
Auseinandersetzungen war die Frage, ob neben Forschungssatelliten auch
Anwendungssatelliten – in erster Linie für Telekommunikation und Meteorologie –
entwickelt werden sollten, was die ESRO-Konvention jedoch strikt untersagte.
Erst vier Jahre später, 1972, gelang der Durchbruch. Das Wissenschaftsprogramm
blieb ein "Pflichtprogramm", an dem sich jeder Mitgliedsstaat (Belgien,
Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande,
Schweden, Schweiz, Spanien) mit einem nach seinem Bruttosozialprodukt bemessenen
Beitrag beteiligen musste. Neu aufgenommen wurde als "Kürprogramm" ein Bereich
für Anwendungssatelliten, an dem sich die Mitgliedsstaaten freiwillig beteiligen
konnten.
Doch nicht nur die ESRO, auch die ELDO bereitete Sorgen. Sie errichtete
Europas ersten Weltraumbahnhof in der australischen Wüste bei Woomera
(Südaustralien) und begann 1964 mit der Entwicklung einer eigenen Trägerrakete,
die bald den Namen EUROPA 1 erhielt. Nach einer Reihe von Fehlschlägen erfolgte
der Wechsel nach Kourou in Französisch-Guyana. Dort waren die Bedingungen für
den Einschuss eines Satelliten in den geostationären Orbit in 36.000 Kilometern
Höhe über dem Äquator wesentlich günstiger. Doch auch der mit einer zusätzlichen
Feststoff-Stufe erweiterten EUROPA II blieb der Erfolg versagt. Der einzige
Start am 5. November 1971 misslang. 1973 wurde das Programm eingestellt, ohne
das bereits angelaufene Studienprogramm einer verbesserten EUROPA III weiter
verfolgen zu können. Damit hat die ELDO das eigentliche Ziel der EUROPA-Rakete,
einen Satelliten in eine Erdumlaufbahn zu bringen, nicht erreicht.
Die Politik war gefragt. Vor allem der konsequenten französischen Haltung ist
es zu verdanken, dass noch im gleichen Jahr der Beschluss über die Entwicklung
eines neuen Trägersystems "L 3 S – Lanceur de 3ème génération de substitution"
gefasst wurde. Für Frankreich stellte der autonome Zugang zum Weltraum von
Anfang an eine hohe strategische Bedeutung dar. Sein Misstrauen gegenüber dem
Raumtransport-Monopol der beiden Großmächte war nicht unbegründet. Entgegen
anfänglicher US-Zusagen, konnten die ersten geostationären
Kommunikationssatelliten Europas, die deutsch-französischen Symphonie-Satelliten,
mit einer amerikanischen Rakete erst gestartet werden, nachdem die Europäer
zugesichert hatten, diese Systeme ausschließlich für experimentelle, nicht aber
für operationelle kommerzielle Zwecke zu verwenden.
Am 31. Juli 1973 wurde auf der Ministerratskonferenz in Brüssel ein
umfangreiches Raumfahrtpaket geschnürt, das die entscheidenden Weichenstellungen
für ein sowohl erfolgreiches als auch zukunftsorientiertes Raumfahrtprogramm
legte. An der Spitze stand die Entwicklung des Raumfahrtträgers "L 3 S". Er
sollte unter dem Namen Ariane bald Furore machen und Europas Symbol für
die Raumfahrt werden. Die Entwicklung der Ariane wurde der sich in Gründung
befindlichen Europäischen Weltraumorganisation ESA übertragen, die schließlich
aus der Fusion von ESRO und ELDO hervorging und offiziell am 31. Mai 1975 ihre
Arbeit aufnahm.
Gründungsmitglieder der ESA waren 10 Staaten: Belgien, Deutschland, Dänemark,
Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweden, Schweiz und Spanien.
Noch im gleichen Jahr wurde Irland aufgenommen. Seither sind auch Österreich,
Norwegen, Finnland, Portugal und Griechenland beigetreten. Mit der
bevorstehenden Aufnahme von Luxemburg Ende des Jahres 2005 wird sich die Zahl
der Mitglieder auf 17 erhöhen. Kanada ist über ein langfristiges
Kooperationsabkommen an zahlreichen ESA-Programmen beteiligt, während Ungarn und
Tschechien kürzlich ebenfalls eine Zusammenarbeit mit der ESA eingeleitet haben.
Aufgabe der ESA ist die Zusammenarbeit europäischer Staaten zu ausschließlich
friedlichen Zwecken auf dem Gebiet der Weltraumforschung und -technologie. Große
weltraumtechnische Programme im Infrastrukturbereich sind daher Bestandteil der
ESA-Aktivitäten, wie die Entwicklung der Trägerfamilie Ariane und das
Programm zur bemannten Raumfahrt, in dessen Rahmen die europäische Beteiligung
an der Internationalen Raumstation durch das Columbus-Labormodul und
durch Versorgungsflüge mit dem unbemannten Raumtransporter ATV (Automated
Transfer Vehicle) verwirklicht werden.
Des Weiteren realisiert die Weltraumorganisation verschiedene Programme in
den Bereichen Erforschung des Weltalls, Mikrogravitationsforschung,
Transportsysteme, Erderkundung, Telekommunikation und Navigation. Alle Programme
werden in der ESA europäisch organisiert und durchgeführt. Ohne diese
qualifizierten Weltraumprogramme wären wir heute in Europa in der
Telekommunikation und bei der Bewirtschaftung unserer Ressourcen auf fremde
Hilfe angewiesen.
Die ESA spielt auch eine koordinierende Rolle, indem sie die von den
Mitgliedsstaaten im nationalen Rahmen unternommenen Arbeiten verfolgt und, wenn
möglich, in ihre Programme integriert. Zu den Aufgaben gehört ferner die
Entwicklung innovativer Weltraumtechnologien, um Europa zu einer international
wettbewerbsfähigen Raumfahrtindustrie zu verhelfen.
Der ESA steht im Jubiläumsjahr 2005 ein Budget von 2,977 Mrd. Euro zur
Verfügung. Der Großteil des Geldes wird für Aufträge an die Industrie der
Mitgliedstaaten ausgegeben. Das Vergabeverfahren stellt sicher, dass jeder
Mitgliedsstaat aus seinen Investitionen einen angemessenen finanziellen und
technologischen Rückfluss erhält.
Weiter zum dritten Teil: Ariane & Co. - eine europäische Erfolgsstory
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