Alte
Galaxien im jungen Universum
von Stefan
Deiters
astronews.com
8. Juli 2004
Große massereiche Galaxien, so die bisherige Lehrmeinung, entstehen
durch Verschmelzen von vielen kleinen Galaxien. Also sollten im jungen
Universum kaum massereiche Galaxien zu finden sein. Ein internationales
Astronomenteam hat jetzt aber vier Galaxien im frühen Universum
aufgespürt, die ähnlich groß sind wie die größten Galaxien heute. Müssen
die Lehrbücher also umgeschrieben werden?
In dieser Himmelregion suchte das Astronomenteam nach
elliptischen Galaxien im jungen Universum - und wurde fündig:
Eine der entdeckten Galaxien ist als roter Punkt in der
Bildmitte auszumachen. Bild: R. Fosbury (ST/ECF) und P.
Rosati (ESO) [Großansicht] |
Galaxien sind wie riesige Inseln im großen Universum und kommen in den
unterschiedlichsten Formen vor: Grundsätzlich unterscheidet man zwischen
Spiralgalaxien wie unserer Milchstraße oder der Andromeda-Galaxie und
elliptischen Galaxien, die hauptsächlich aus sehr alten Sternen bestehen und
über nur noch sehr wenig Gas und Staub verfügen, in dem Sternentstehung noch
möglich wäre. Zusätzlich gibt es noch Galaxien, die irgendwo zwischen Spiral-
und elliptischen Galaxien liegen.
Doch nicht nur die Form von Galaxien unterscheidet sich, auch ihre Masse ist
unterschiedlich, also grob die Anzahl von Sternen, die sie beherbergen. Eine der
großen Fragen der Astronomie ist nun, wie sich Galaxien im Laufe der Zeit
entwickelt haben und wie sie entstanden sind. Die bislang populärste Theorie
geht davon aus, dass sich im jungen Universum zunächst viele kleine Galaxien
befanden, die dann im Laufe von Milliarden Jahren zu immer größeren Einheiten
verschmolzen sind. Astronomen nennen dies "hierarchisches Verschmelzen".
Eine Folge dieses Szenarios ist, dass sich im jungen Universum - also in großer
Entfernung - keine massereichen, elliptischen Galaxien finden lassen sollten, da
diese erst durch Verschmelzungen vor relativ kurzer Zeit entstanden sind.
Bislang hat man auch in großen Entfernungen keine dieser Galaxien ausfindig
machen können - bis jetzt: Ein internationales Team von Astronomen hat nämlich
das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile für eine
detaillierte Suche nach massereichen elliptischen Galaxien im jungen Universum
genutzt. Das ist, auch mit einem Riesenteleskop keine leichte Aufgabe, da
elliptische Galaxien hauptsächlich alte, rötlich leuchtende Sterne enthalten und
also relativ leuchtschwach sind. Das rötliche Licht der Sterne wird außerdem
durch die Rotverschiebung in den infraroten Bereich des Spektrums verschoben,
was die Entdeckung zusätzlich erschwert.
Doch das Astronomenteam hatte Erfolg: In einem Bereich am Himmel, der etwa ein
Zehntel so groß ist wie der Vollmond, untersuchten sie 546 sehr leuchtschwache
Objekte, unter denen sie vier alte und massereiche Galaxien entdeckten. Diese
vier Galaxien existierten zu einer Zeit, in der das Universum nur etwa 3,5
Milliarden Jahre alt war. Ihre Spektren sprechen aber dafür, dass sie Sterne
enthalten, die zwischen einer und zwei Milliarden Jahre alt sind, so dass diese
Systeme entstanden sein müssen, als das Universum zwischen 1,5 und 2,5
Milliarden Jahre alt war.
Weiterführende Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop ergaben,
dass die Galaxien von der Form und Masse sehr den massereichen elliptischen
Galaxien in unserem lokalen Universum ähneln und es sich somit um eine bislang
unentdeckte Gruppe von massereichen Galaxien im jungen Universum handelt. Die
Entstehung von elliptischen Galaxien muss also deutlich früher begonnen und
deutlich schneller verlaufen sein, als in den bisherigen Modellen der
Astronomen. "Unsere Studie wirft einige fundamentale Fragen auf über unser
Verständnis der grundlegenden Prozesse, die für die Entstehung und Entwicklung
der Strukturen in unsere Universum verantwortlich sind", so der italienische
Astronom Andrea Cimatti, der die Forschungen leitete.
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ESO, Europäische Südsternwarte |
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