"Blinzelnder Stern" ist Doppelstern
von Stefan
Deiters
astronews.com
26. Februar 2004
Der
"blinzelnde Stern" KH 15D hat Astronomen seit seiner Entdeckung vor
sechs Jahren fasziniert: Was ist die Ursache für seine regelmäßigen mehr
als 20 Tage andauernden Verdunklungen? Viele Forscher glaubten an eine
protoplanetare Staubscheibe um die junge Sonne, in der vielleicht gerade
Planeten entstehen. Doch offenbar ist alles noch viel komplizierter.
Der "blinzelnde" Stern KH 15D (Markierung) in einer Aufnahme vom
1. Dezember 1951. Foto:
Josh Winn et al. / Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics |
Durch eine detaillierte Analyse der Verdunklungen und ihrer Veränderungen im
Laufe der Zeit konnten der Astronom Joshua Winn vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und seine Kollegen die bislang
favorisierte Theorie einer protoplanetaren Staubscheibe verwerfen und durch eine
neues Modell des fernen Sterns ersetzen, das nahezu alle Beobachtungen erklärt.
Die Forscher folgerten, dass es sich bei KH 15D in Wirklichkeit um ein
Doppelsternsystem handelt. Der Blick auf dieses System wird jedoch durch eine
Staubscheibe rund um das System in regelmäßigen Abständen behindert, so dass
entweder nur einer, beide oder auch gar kein Stern zu sehen ist. "Diese beiden
Sterne haben mit uns Verstecken gespielt. Der zweite Stern schaute nur kurz
hervor und ist nun komplett verdeckt. Bald wird auch der erste Stern
verschwinden und das System damit für Jahrzehnte unsichtbar sein", so Winn.
Entscheidende Hinweise auf die Natur des "blinzelnden Sterns" gaben
Archivmaterialien, die zeigten, dass der Stern in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts keinerlei Veränderungen zeigte (astronews.com berichtete). In der
Zeit von 1967 bis 1982 kam es zu Verdunklungen, allerdings war das System
deutlich heller als heute - sowohl während einer Verdunklung als auch in den
Zeiten dazwischen. Dieses zusätzliche Licht, so die These der Forscher, muss von
einem zweiten Stern gekommen sein, der damals sichtbar war, heute aber verborgen
ist: Vor 1960 war keiner der beiden Sterne verdeckt. Danach schob sich ein
Vorhang aus Staub in die Sichtlinie von der Erde zu den Sternen und verdeckte
Teile des Orbits eines Sterns. Irgendwann verbarg dieser Staub den kompletten
Orbit des Sterns und verdeckte zeitweise auch den anderen. Die Astronomen gehen
davon aus, dass im Jahr 2012 beide Sterne komplett verdeckt sein werden.
Messungen von Radialgeschwindigkeiten des Sterns, die gerade durchgeführt
werden, sollen die Existenz eines zweiten Sterns bestätigen.
Das neue Bild des Systems KH15D sieht so aus: Es handelt sich um zwei extrem
junge Sterne, die nicht älter sind als 10 Millionen Jahre. Sie umkreisen
einander alle 48 Tage in einem sehr unkreisförmigen Orbit, was die beobachtete
Periode bei den Verdunklungen erklärt. Ihre mittlere Entfernung voneinander
dürfte in etwa ein Viertel der Entfernung der Erde von der Sonne betragen. Die
Frage ist nun, was den Blick auf das System zeitweise versperrt: Eventuell
könnte es eine Staubscheibe sein, die das Doppelsternsystem umgibt. Diese
rotiert, so die Erklärung für die zeitweisen Verdunklungen, nicht in derselben
Ebene wie die Sterne, sondern ändert langsam ihre Rotationsebene. Dadurch begann
die Scheibe in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts langsam unseren Blick
auf das System zu verbergen.
Wie lange die komplette Verdunklung des Systems dauern wird, können die Forscher
bislang nicht sagen. Dies hängt von der Dicke der Scheibe ab. Auch wenn der
Grund für das "Blinzeln" nun gefunden ist, gibt es doch für die Wissenschaftler
viele neue Fragen: Um was für eine Scheibe handelt es sich, warum ist ihre
Rotationsebene im Verhältnis zur Ebene des Sternsystems geneigt und warum hat
sie einen so genau definierten Rand? Der "blinzelnde Stern" wird die Astronomen
vermutlich noch länger beschäftigen.
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