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ERDE
Einfluss der kosmischen Strahlung auf Klima gering
Redaktion
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27. Oktober 2003

Steht die Entwicklung der Erdtemperatur in einem Zusammenhang mit der kosmischen Strahlung? Ja, meinten zwei Wissenschafter im Sommer und lieferten damit den Gegnern der These vom Klimawandel durch erhöhte Kohlendioxid-Emission willkommene Argumente. Jetzt hält eine Gruppe von Klimaforschern dagegen: In einer gemeinsamen Presseerklärung werten sie die Methoden der Kollegen als "fragwürdig" und die Schlussfolgerungen als "nicht haltbar".

Erde

Die Erde: Für die aktuellen Klimaänderungen sind die Menschen verantwortlich, so führende Klimafachleute. Foto: NSSDC/NASA

Ein kürzlich veröffentlichter wissenschaftlicher Artikel von Nir Shaviv und Jan Veizer, der angeblich einen Zusammenhang der Entwicklung der Erdtemperatur mit der kosmischen Strahlung zeigt, beruht nach Ansicht führender Klimafachleute auf äußerst fragwürdigen Methoden. Die im Artikel abgeschätzte Bedeutung des CO2 für das Klima bezieht sich zudem lediglich auf geologische Zeiträume von hunderten von Jahrmillionen. Selbst wenn die Analyse korrekt wäre, ließen sich keine Rückschlüsse auf die derzeitige Klimaveränderung ziehen, da auf der Zeitskala von Jahrzehnten andere Faktoren eine wesentliche Rolle spielen.

Im Juli 2003 wurde in der Zeitschrift GSA Today ein Artikel des Astrophysikers Nir Shaviv und des Geologen Jan Veizer veröffentlicht, der einen Zusammenhang der kosmischen Strahlung mit der langfristigen Temperaturentwicklung auf der Erde über hunderte von Jahrmillionen belegen sollte. Die Autoren behaupten, dass der Einfluss des CO2 auf das Erdklima geringer sei als bislang angenommen. Weil dieser Artikel von Interessenverbänden und "Klimaskeptikern" aufgegriffen und weithin in Politik und Medien verbreitet wurde, erscheint eine Stellungnahme aus wissenschaftlicher Sicht notwendig, so heißt es in einer Presseerklärung des Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam, der sich zahlreiche führende Klimaforscher angeschlossen haben.

Nach Auffassung zahlreicher Klimafachleute sind die von Shaviv and Veizer durchgeführte Analyse und insbesondere die daraus gezogenen Schlüsse wissenschaftlich nicht haltbar. Die Kurven von kosmischer Strahlung und Temperatur so weit in die Vergangenheit sind extrem unsicher. Die Rekonstruktion der kosmischen Strahlung beruht lediglich auf 42 Meteoritenfunden, die von anderen Experten ganz anders interpretiert werden. Die beiden Kurven zeigen zudem nur deshalb einen statistischen Zusammenhang, weil die Zeitskala der kosmischen Daten willkürlich so gestreckt wurde, bis eine Übereinstimmung auftritt - die unveränderten Rohdaten zeigen keine signifikante Korrelation.

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Noch fragwürdiger ist Shavivs und Veizers Versuch, aus den rekonstruierten Daten die Wirkung des CO2 auf das Klima abzuschätzen. Da im Klimasystem stets mehrere Antriebsfaktoren und Rückkopplungsmechanismen zusammenwirken, lässt sich die Stärke des Einflusses einzelner Faktoren nicht einfach aus dem Vergleich von Kurven isolieren. Die Anwendung dieser Methode auf die viel zuverlässigeren Antarktischen Eisbohrkern-Daten von Temperatur und CO2 über die letzten 420.000 Jahre würde ergeben, dass eine Verdoppelung von CO2 eine Erwärmung um mehr als zehn Grad Celsius zur Folge hätte. Dies ist jedoch keine brauchbare Methode, die Wirkung von CO2 zu erhalten. Klimatologen gehen aufgrund der bekannten Strahlungswirkung von CO2 davon aus, dass eine Verdoppelung des CO2 eine Erwärmung um 1,5 bis 4,5 Grad Celsius zur Folge hätte.

Selbst wenn die Arbeit von Shaviv und Veizer methodisch korrekt wäre, ergäben sich daraus für die heutige Klimaänderung keine neuen Erkenntnisse. Die Autoren betonen selber, dass der von ihnen postulierte Zusammenhang nur für Zeiträume von mehreren Millionen von Jahren gilt. Die aktuelle Klimaerwärmung betrifft hingegen einen Zeitraum von wenigen hundert Jahren, für den zum Teil ganz andere Mechanismen eine Rolle spielen. Bekanntlich beeinflussen auf längeren Zeitskalen verschiedene äußere Faktoren das Klima. Über Millionen von Jahren ist das beispielsweise die Verschiebung der Kontinente, im Bereich von hunderttausenden von Jahren Veränderungen der Erdumlaufbahn oder der Lage der Erdachse. Dadurch werden beispielsweise Eiszeiten ausgelöst oder beendet. Im Bereich von Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten sind diese Prozesse jedoch bedeutungslos. Hier sind Vulkanismus, Schwankungen der Sonnenaktivität oder Veränderungen der Treibhausgaskonzentrationen sowie interne Schwankungen des Klimasystems entscheidend. In einem Presseartikel im Oktober wurde der postulierte Zyklus der kosmischen Strahlung trotzdem als Grund für die globale Klimaerwärmung der letzten 20 Jahre aufgeführt. Selbst wenn er real wäre, würde dieser Zyklus (bei drei Grad Erwärmung über 70 Millionen Jahre) in 20 Jahren bestenfalls eine Erwärmung um ein Millionstel Grad verursachen.

Der starke Anstieg des CO2 (und einiger anderer Treibhausgase) in der Atmosphäre aufgrund menschlicher Emissionen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Hauptursache der globalen Klimaerwärmung der letzten Jahrzehnte. Diese Erkenntnis ist durch hunderte von wissenschaftlichen Studien gestützt, und die wichtigsten physikalischen Zusammenhänge sind im wesentlichen gut verstanden. Sowohl Modellrechnungen als auch Datenauswertungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der menschliche Anteil an der Erwärmung des 20. Jahrhunderts überwiegt.

Dieses fundierte Wissen wird durch eine einzelne, spekulative, auf unsicheren Daten fußende und methodisch sehr fragwürdige Publikation in keiner Weise in Frage gestellt, so die Pressemitteilung abschließend.

siehe auch
Astolinks: Erde
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