Seit über 50
Jahren ungewöhnlich aktiv
von Rainer Kayser
23. Oktober 2003
Einem Team aus finnischen und deutschen Wissenschaftlern ist es mit
Hilfe eines Tricks und des grönländischen Eises gelungen, die Zahl der
Sonnenflecken - und damit die Aktivität der Sonne - bis in das neunte
Jahrhundert zu rekonstruieren. Das überraschende Ergebnis: Noch nie zeigte
die Sonne in den letzten 1150 Jahren so viele Flecken wie seit 1940.
Die Sonne (hier am 25. Juni 2003): Seit 1940 ungewöhnlich aktiv.
Foto:
ESA/NASA/SOHO |
Bohrkerne aus dem ewigen Eis von Grönland und der Antarktis belegen,
dass unsere Sonne seit 60 Jahren ungewöhnlich aktiv ist. Das berichtet
jetzt ein Team finnischer und deutscher Forscher, die aus den
Ablagerungen des Isotops Beryllium-10 in dem Eis die Anzahl der
Sonnenflecken bis in das neunte Jahrhundert zurück ermittelt haben. In
dem gesamten von ihrer Untersuchung abgedeckten Zeitraum von 1150 Jahren
zeigte die Sonne niemals so viele Flecken wie seit 1940.
Die Aktivität der Sonne - Sonnenflecken, Protuberanzen und koronale
Massenauswürfe - unterliegt vielfachen Schwankungen. So variiert die
Anzahl der Flecken mit dem elfjährigen magnetischen Zyklus der Sonne. Es
ist daher schwierig, Aussagen über langfristige Tendenzen der
Sonnenaktivität zu machen. Auf Basis direkter Beobachtungen lässt sich
die Anzahl der Sonnenflecken lediglich bis 1610 zurückverfolgen, bis zu
den ersten Sonnenbeobachtungen durch Galileo Galilei.
Doch die Sonnenaktivität lässt sich auch auf indirekte Weise messen.
Eine magnetisch aktivere Sonne nämlich führt zu einer stärkeren Abwehr
der von außen in das Sonnensystem eindringenden kosmischen Strahlung.
Dadurch sinkt die Produktion von Beryllium-10-Atomen in der
Erdatmosphäre durch die hochenergetischen Teilchen der kosmischen
Strahlung. Beryllium-10 lagert sich auf der Erde ab - und diese
Ablagerungen sind unverfälscht im Eis der Antarktis und Grönlands
erhalten.
Auf diese Weise konnten Ilya Usoskin und seine Kollegen von der
Universität Oulo in Finnland und dem Max-Planck-Institut für Aeronomie
in Katlenburg-Lindau die Sonnenaktivität bis zurück in das Jahr 850
bestimmen. Ihre Analyse ist auch für die Klimaforscher von Interesse:
Seit langem ist heftig umstritten, welchen Einfluss die Sonne auf die in
den letzten Jahrzehnten beobachtete globale Erwärmung hat.
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