Eine der derzeit interessantesten Fragen der Astronomie ist, wie aus dem Gas,
das nach dem Urknall das Universum ausfüllte, Sterne, Galaxien und ganze
Galaxienhaufen entstanden. Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang mit der
anfänglichen Strukturbildung im Kosmos. Aus den kleinen Fluktuationen - also
Unregelmäßigkeiten - die man in der kosmischen Hintergrundstrahlung entdeckt
hat, versucht man die Entstehung von Galaxien abzuleiten und anhand von
aufwendigen Modellrechnungen ein Universum zu modellieren, was nach rund 15
Milliarden Jahren in etwa dem entspricht, was wir heute beobachten.
Nach Ansicht mancher Theoretiker gehen diese Strukturbildungsprozesse von
kleinsten Einheiten aus, die sich durch Kollisionen und Verschmelzungen zu immer
größeren Objekten verbinden. So werden aus Klumpen von Gas Sterne, daraus kleine
Galaxien und schließlich Galaxiengruppen und gewaltige Galaxienhaufen.
Interessant zur Überprüfung dieser Modelle ist die Beobachtung von
Radiogalaxien, deren vermutetes zentrales Schwarzes Loch für eine extrem
intensive Radioabstrahlung der Galaxien sorgt. Dadurch können sie noch in sehr
weiter Entfernung aufgespürt werden. Die Radiogalaxien gehören zu den
massereichsten Objekten im frühen Universum und deswegen galten sie schon lange
als gute Kandidaten, die eventuell weitere Galaxien um sich versammeln könnten,
um so einen Galaxienhaufen zu bilden.
Aus diesem Grund hat eine Gruppe Astronomen vorgeschlagen, mit dem Very
Large Telescope (VLT) der ESO nach Ansammlungen von Galaxien in der Nähe von
Radiogalaxien zu suchen, um so eventuelle Vorläufer von heutigen Galaxienhaufen
aufzuspüren. Dazu machten sie eine sehr lang belichtete "tiefe" Aufnahme einer
Himmelsregion, die etwa nur ein Fünftel so groß ist wie der Vollmond. Das am
weitesten entfernte Objekt in dieser Region ist die Radiogalaxie TN J1338-1942
in einer Entfernung von 13,5 Milliarden Lichtjahren.
In der gleichen Entfernung suchten die Forscher nun nach anderen Galaxien und
fanden tatsächlich 28 Kandidaten in der Himmelsregion. Nach der Aufnahme
detaillierter Spektren konnte sie dann für 20 von diesen bestätigen, dass sie
wirklich in gleicher Entfernung wie
TN J1338-1942 liegen und sich mit einer Geschwindigkeit von einigen Hundert
Kilometern pro Sekunde bewegen. Diese gesamte Gruppe hat einen Durchmesser von
mehr als zehn Millionen Lichtjahren und ist die jüngste Galaxiengruppe die
bislang entdeckt wurde.
Für die Astronomen bedeutet dies, dass sich Galaxiengruppen schon zu einer
Zeit gebildet haben müssen, als das Universum nur etwa zehn Prozent seines
heutigen Alters hatte. Die Masse des aufgespürten Haufens ist nach Berechnungen
der Forscher in etwa vergleichbar mit der Masse eines nahen Galaxienhaufen.
Allerdings müsste er - um diesem zu ähneln - noch um einen Faktor zehn kleiner
werden, die Galaxien müssten also dichter zusammen liegen.
Als nächstes wollen die Forscher nun genau die Grenzen des entfernten Haufens
bestimmen und auch die einzelnen Haufenmitglieder studieren. Dabei soll unter
anderem das Hubble-Weltraumteleskop helfen. "Wir haben nun
Beobachtungszeit für dieses Objekt und wollen mit dem HST einen der tiefsten
Blicke ins All machen, die je mit Hubble unternommen worden sind", so George
Miley von der Universität in Leiden. "Unser Projekt ist ein hervorragendes
Beispiel dafür wie sich die neuen Beobachtungsmöglichkeiten mit modernen
Teleskopen auf der Erde mit weltraumgestützten Teleskopen verbinden lassen."
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ESO,
Europäische Südsternwarte
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