Die Überraschung war groß: Durch Microlensing-Ereignisse
fanden amerikanische Astronomen nicht nur einen dunklen Zwergstern im
Kugelsternhaufen M22, sondern auch sechs weitere Objekte, die nur die
80fache Größe der Erde haben könnten. Um was es sich dabei handelt, ist
den Wissenschaftlern noch absolut unklar. Die Objekte könnten aber zehn
Prozent der Masse des Haufens ausmachen.
Hubble-Aufnahme des
Zentralbereichs des Kugelsternhaufens M22 im Vergleich mit einer
Aufnahme von der Erde (Kreis). Foto: NASA, Kailash
Sahu, Stefano Casertano, Mario Livio, Ron Gilliland (STScI),
Nino Panagia (ESA/STScI), Michael Albrow and Mike Potter (STScI)
(Hubble-Aufnahme); Nigel A.Sharp, REU program / AURA / NOAO /
NSF (Boden) |
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Mit Hilfe des Microlensing-Effektes ist es Astronomen möglich, sehr
lichtschwache Objekte aufzuspüren, in dem sie deren Einfluss auf das Licht eines
anderen Sterns studieren: Dabei überwachen die Forscher die Helligkeit von
Sternen im Hintergrund und warten darauf, dass ein dunkler, nicht sichtbarer
Stern durch die Sichtlinie wandert. Wenn er dies tut wird er durch seine Masse
für eine einmalige, kurzzeitige Verstärkung des Lichts des Hintergrundsterns
sorgen. Aus dem genauen Verlauf der Helligkeitszunahme können die
Wissenschaftler dann auf die Masse des dunklen Sterns schließen. Auf diese Weise
versuchen mehrere Teams der dunklen Materie im Halo unserer Galaxis auf die Spur
zu kommen, die sie teilweise in Form von MACHOs (also massive astrophysical
compact halo objects) vermuten.Von Februar bis Juni 1999 beobachteten
Kailash Sahu vom Space Telecope Science Institute (STScI) in Baltimore
und seine Kollegen 83.000 Sterne im Zentrum der Milchstraße. In Wirklichkeit
waren die Forscher aber an verborgenen Objekten im Kugelsternhaufen M22
interessiert, der rund 8.500 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt und durch
den sie hindurchschauten. Die beobachteten Sterne lagen rund 30.000 Lichtjahre
entfernt. Und tatsächlich spürten die Astronomen mit Hilfe des Microlensing-Effektes
einen Zwergstern auf, der etwa ein Zehntel der Masse unserer Sonnen haben
dürfte. Während dieser durch die Sichtlinie von Hubble zu den
Hintergrundsternen gewandert war, wurde einer dieser Sterne zehnmal heller und
das innerhalb eines Zeitraums von 18 Tagen.
Doch Sahu und sein Team entdeckt noch mehr Microlensing-Ereignisse:
Sechs Mal verdoppelte sich die Helligkeit verschiedener Hintergrundsterns über
einen Zeitraum von nur rund 20 Stunden. Die Objekte, die diesen Effekt
verursacht haben, dürften somit nur die etwa 80fache Masse der Erde haben und
sind die masseärmsten Objekte, die bislang auf diese Weise entdeckt wurden. Nur
um was könnte es sich dabei handeln? In Frage kämen natürlich
umhervagabundierende Planeten, die von ihrer Sonnen "getrennt" wurden.
Allerdings erscheint dies - angesichts der Tatsache, dass sie bis zu zehn
Prozent der Haufenmasse ausmachen könnten - recht unrealistisch zu sein.
Es könnte sich also um Relikte aus der Frühphase des Universums handeln, da
Kugelsternhaufen gemeinhin als die ältesten Bestandteile unserer Galaxis gelten.
Allerdings warnen die Wissenschaftler, dass noch weitere Beobachtungen nötig
sind, um diesen Befund zu untermauern. "Hubble exzellenter Blick hat es uns
erlaubt, diese bemerkenswerten neuartigen Beobachtungen zu machen", so Sahu. "Es
gibt damit ein ungeheures Potential für die weitere Suche nach dunklen,
massearmen Objekten."
Bislang besitzt nur das Hubble-Weltraumteleskop die Fähigkeit durch
das dichte Zentrum eines Kugelsternhaufens hindurch Hintergrundsterne zu
beobachten und so mit Hilfe des Microlensing-Effektes dunkle Objekte in
dem Kugelsternhaufen aufzuspüren. Um die Ergebnisse zu verifizieren planen Sahu
und sein Team eine siebentägige Dauerbeobachtung des Haufenzentrums. Wenn ihre
ersten Beobachtungen stimmen, sollten sie in dieser Zeit zwischen zehn und 25
kurzeitige Microlensing-Ereignisse zu Gesicht bekommen.