Er dürfte kaum größer als Manhattan sein, 10 Milliarden Mal
dichter als Stahl und mit einer Geschwindigkeit von rund 389.000
Kilometern pro Stunde durchs All rasen: der Neutronenstern RX
J185635-3754. Bei dem kosmischen Vagabunden handelt es sich um den der
Erde am nächsten liegenden Neutronenstern - für die
Astronomen somit ein einzigartiges Studienobjekt.
Die
Überlagerung von drei Hubble-Aufnahmen zeigt den Weg von RX
J185635-3754 am Himmel. Foto: NASA und F. M. Walter
(State Univerity of New York, Stony Brook) |
Dank genauer
Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop bestätigt sich, was manche
schon vorher vermuteten: Der Neutronenstern RX J185635-3754 ist der der Erde am
nahegelegenste Neutronenstern, den man bisher entdeckt hat. Er liegt zur Zeit
rund 200 Lichtjahre entfernt und wird die Erde in rund 300.000 Jahren in einer
Entfernung von etwa 170 Lichtjahren passieren.
Dank der relativen
Nähe von RX J185635-3754 stellt der Neutronenstern eine einmalige Chance für
die Astronomen dar, ihre Theorien über diesen doch recht exotischen Sternentyp
zu überprüfen. Und der Stern hat noch einen weiteren "Vorteil": Er ist ein Einzelgänger und bietet sich, da nichts den Blick stören kann,
geradezu als Beobachtungsobjekt an. "Die wissenschaftliche Bedeutung dieses
Objektes liegt in der Tatsache, das der Neutronenstern isoliert ist",
unterstreicht Frederick M. Walter von der State University of New York in
Stony Brook. "Der Stern scheint recht heiß zu sein und das nicht, weil er
etwa Wasserstoff aufsammelt, sondern weil er jung ist und noch abkühlt. Da wir
wissen wie alt er ungefähr ist, können wir jetzt messen, wie schnell
Neutronensterne abkühlen."
Der Weg des
Neutronensterns am Himmel wurde von Hubble 1996 und 1999 aufgenommen. Aus
der charakteristischen Bewegung des Objektes konnte man die Entfernung des
Neutronenstern errechnen und die Geschwindigkeit: So wandert RX J185635-3754 am
Himmel in rund 5.400 Jahren etwa eine Strecke, die dem Durchmesser des Mondes
entspricht. Damit ist er einer der sich am schnellsten bewegenden Sterne am
Firmament. In Wirklichkeit hat der Neutronenstern eine Geschwindigkeit von
389.000 Kilometern pro Stunde.
Nach den gängigen
Theorien sind Neutronenstern eine Endprodukt der Sternentwicklung: Während
Sterne mit einer unserer Sonne vergleichbaren Größe als recht unspektakuläre
Weiße Zwerge enden, ist das Finale im Leben eines massereichen Sterns deutlich
dramatischer - sie explodieren in einer gewaltigen Supernova-Explosion. Je nach
Größe des ursprünglichen Sterns bleibt ein Neutronenstern oder ein Schwarzes
Loch zurück.
Zurückbleiben
könnte allerdings das falsche Wort sein: Die Astronomen gehen davon aus, dass
RX J185635-3754 aus einer Gruppe junger Sterne stammt und genau aus dieser
Gruppe scheint sich auch ein anderer Stern - Zeta Ophiuchus - fortzubewegen.
Beide Sterne, so die Spekulation, könnten vor rund einer Millionen Jahren ein
Doppelsternsystem gebildet haben und sind - als der Vorgänger des
Neutronensterns in einer Supernova explodierte - ins All hinausgeschleudert
worden.
RX J185635-3754 wurde
zuerst 1992 im Röntgenbereich entdeckt und später mit dem Hubble-Weltraumteleskop
aufgespürt. Erst im September veröffentlichte die europäische Südsternwarte
Aufnahmen des Neutronensterns, die mit dem Very Large
gemacht wurden.