Astronomen der Universität Durham haben neue Hinweise darauf,
dass sich Galaxien in unserem Universum deutlich eher gebildet haben als
bislang angenommen wurde. Eine Studie, die gestern auf der
Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in
Manchester vorgestellt wurde, legt nahe, dass es vor rund zehn Milliarden
Jahren ebenso viele Galaxien gab, wie heute - ein Problem für gängige
Modelle über Galaxienentstehung.
Ein
Ausschnitt aus dem William Herschel Deep Field: Auf der Aufnahme
die im sichtbaren Bereich des Lichtes gemacht wurde, ist die
rotverschobene Galaxie nicht zu erkennen (oben, Kreuz). Erst auf
dem Infrarot-Bild (unten) ist das Objekt mit einer
Rotverschiebung zwischen 5 und 7 auszumachen. Foto:
Durham University
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Mit ihren Beobachtungen geben die Durhamer Astronomen manchen Kosmologen
neue Rätsel auf: Bisher war man nämlich davon ausgegangen, dass sich die
meisten Galaxien vor relativ kurzer Zeit gebildet haben. Schaut man also
mit Hilfe leistungsfähiger Teleskope in weitentfernte Regionen des
Weltalls - und damit praktisch in die Vergangenheit - sollte man ab einer
bestimmten Entfernung eigentlich keine Galaxien mehr sehen. Diese
Entfernungen messen Astronomen gemeinhin mit Hilfe der Rotverschiebung
des Lichtes der entfernten Objekte: Je weiter das Objekt von uns entfernt
ist, desto starker sollte sein Licht wegen der Expansion des Universums
rotverschoben sein. Aus der gängigen Theorie über die Galaxienentstehung
folgte nun, dass man
eigentlich keine Galaxien mit hoher Rotverschiebung sehen dürfte.
Eines der
ertragreichsten Projekte der letzten Jahre zum Aufspüren weit entfernter
Objekte waren die Deep Field-Aufnahmen einiger Großteleskope: So blickte
das Hubble-Weltraumteleskop vor einigen Jahren für viele Stunden auf
einen scheinbar dunklen Fleck am Himmel. Das Ergebnis faszinierte die Astronomen
und die Öffentlichkeit: Dank der langen Belichtungszeit der Aufnahme kamen
unzählige bisher nie gesehene Galaxien zum Vorschein. Ähnliche Projekte wurden
auch mit bodengestützten Teleskopen unternommen, etwa mit dem
britisch-niederländisch-spanischen William Herschel Teleskop auf der
Kanareninsel La Palma oder dem amerikanischen Keck-Teleskop.
1996 schließlich
hatte man so viele Galaxien mit einer Rotverschiebung von zwei gefunden, dass
die bis dahin gültige Theorie, dass sich die Galaxien bei einer Rotverschiebung
von eins - als der Universum nur halb so groß war wie heute - gebildet haben, in
Frage gestellt war. Die Entdeckung von zahlreichen Galaxien mit einer
Rotverschiebung von drei bis vier brachte die Theorie völlig ins Wanken. Die
neuen Aufnahmen der Durhamer Astronomen macht nun alles noch schlimmer: Sie
fanden sogar bei einer Rotverschiebung von fünf bis sechs genau so viele
Galaxien wie man heute auch in unserer relativen Umgebung findet. Die Galaxien
existierten also schon vor rund zehn Milliarden Jahren und damit zu einem Zeitpunkt als das Universum nur einen Bruchteil seiner heutigen Größe
hatte.
"Vor vier Jahren
dachten wir, dass die Galaxien, die wir bei einer Rotverschiebung von etwa zwei
sehen, eine Art Final Frontier, eine letzte Grenze, darstellen, weil wir
annahmen, dass wir - wenn wir weiter in der Zeit zurückschauen - einfach in
eine Zeit blicken, zu der sich noch gar keine Galaxien gebildet hatten",
erläutert Dr. Tom Shanks aus Durham. "Jetzt, nachdem wir so viele Galaxien
bei höherer Rotverschiebung entdeckt haben, können wir wahrhaftig sagen, diese
liegen hinter der Final Frontier."