Nach der Auswertung von dreieinhalb Gigabyte Daten ist für die
Astrophysiker der Universität Jena die Sache klar: Die Geburt der Erde
verlief deutlich schneller als man bisher angenommen hatte. Darauf deuten
zumindest die Ergebnisse eines Experimentes hin, das im Herbst 1998 an
Bord der Raumfähre Discovery gemacht wurde.
Das Experiment namens CODAG (für Cosmic Dust Aggregation), das Ende Oktober 1998 per
Shuttle ins All befördert wurde, ist quasi eine Reise in die
Vergangenheit: In einer zwei Liter großen Experimentierkammer versuchte das Team
um Dr. Jürgen Blum von der Universität Jena jene Vorgänge zu wiederholen, die sich vor mehr als viereinhalb
Milliarden Jahren in unserem Sonnensystem abgespielt haben müssen. Um unsere
gerade entstehende Sonne herum rotierte damals eine Scheibe
aus sich allmählich verdichtenden Gasen. Am Rand dieses Gebildes, im sogenannten solaren Nebel, kondensierten winzige
Staubkörnchen aus. Trafen diese aufeinander, verklumpten sie zu
"Planetenkeimen" aus denen dann allmählich immer größere
Materiebrocken mit eigenen Gravitationskräften wurden und Millionen Jahre
später die Planeten.
"Nach rund zehn
Millionen Jahren hatte sich unsere Sonne im Zentrum dieser Planetenscheibe so
weit verdichtet, dass die Startenergie für den solaren Reaktor, der
Wasserstoffatome zu Helium verschmilzt, ausreichte", erläutert Blum.
"Dabei entsteht eine Druckwelle und intensive kurzwellige UV-Strahlung,
die die umgebende Gasscheibe samt aller kleinen Partikel mit weniger als
einem Kilometer Durchmesser aus dem solaren Nebel ins Weltall schleudert." Das
bedeutet, dass nur aus den relativ massiven Brocken in der Umgebung der
Sonne sich die künftigen Planeten und Monde
des Systems bilden konnten.
Dieses Szenario hatte bisher allerdings einen Schönheitsfehler: Die
Wissenschaftler konnten sich nicht erklären,
wie die für galaktische Verhältnisse sehr kurze Zeit ausreichte, um aus den
freischwebenden Staubpartikeln so große Körper wachsen zu lassen. Auch
theoretischen Berechnungen und eine Simulation auf der Erde zeigten nur
ein recht gemächliches Wachstum der Partikel. "An Bord der Discovery, also unter Schwerelosigkeit, konnten wir aber
nachvollziehen, dass das
Volumen der zusammenklumpenden Partikel wesentlich schneller anwächst", so
Blum. Außerdem konnten die Wissenschaftler beobachten, dass dieser Prozess
mit der Zeit immer schneller wird. Offensichtlich spielt
dabei die Rotation der Partikel eine wichtigere Rolle, als bislang angenommen
wurde. "Es entstehen aus den Staubkörnchen kettenförmige Gebilde, die ihrerseits wiederum andere frei schwebende
Partikeleinfangen."
Beobachtet haben die Astrophysiker die Vorgänge an Bord
des Space Shuttles mit Hilfe einer Mikroskopkamera im Inneren der
Versuchskammer. "Bei unserem
Experiment verlief die planetare Geburtsminute allerdings rund eine Million mal
schneller, weil wir eine wesentlich höhere Partikelkonzentration in das dünne Gas der Apparatur eingebracht haben",
ergänzt Blum. "Sonst wäre die Discovery nicht lang genug unterwegs
gewesen, um einen hinreichend langen Wachstumsprozess in der
Versuchskammer abzuwarten."
Den Jenaer Forschern ging es bei dem Experiment
ohnehin nur ums Prinzip.
Mit diesen - unerwarteten - Ergebnissen haben
sich für sie die fünf Jahre Arbeit gelohnt, um den Versuchsaufbau zu konstruieren,
die 90 Kilo schwere Apparatur zu bauen und all die Antragshürden der
interkontinentalen Weltraumbürokratie zu überwinden. Das gelang oft nur
durch die Unterstützung von Kollegen aus anderen Instituten. Das gesamte Experiment kostete
am Ende rund vier Millionen Mark. Die NASA erhielt davon den
geringsten Teil: Die amerikanische Weltraumbehörde transportierte den Jenaer
Behälter mit dem selbständig ablaufenden Experiment als Ballast deklariert
für nur 27.000 Dollar.