Mit Hilfe des Very Large Array Radioteleskops kamen
amerikanische Astronomen einem besonderen Schwindler auf die Spur: Pulsare,
oft auch als kosmische Leuchtfeuer bezeichnet, könnten bis zu zehnmal
älter sein, als sie den Wissenschaftlern bisher glauben machen wollten.
Das dürfte erhebliche Konsequenzen für bisher als gesichert geltende
Theorien haben.
Supernova-Überrest G5.4-1.2 mit Pulsar B1757-24. Der Pulsar
befindet sich in dem kleinen Punkt in der rechten Bildhälfte,
der gerade aus dem großen rundlichen Supernova-Überrest zu
schießen scheint. Foto:
NRAO |
Für Bryan Gaensler vom Massachusetts Institute of Technology
(MIT) und seinen Kollegen Dale Frail vom National Radio Astronomy
Observatory (NROA) war es eine wirkliche Überraschung: Die Forscher
hatten den Pulsar B1757-24, also einen sich drehenden Neutronenstern,
beobachtet, der wie ein kosmisches Leuchtfeuer gebündelte Strahlung ins
Weltall aussendet. Nach den bisherigen Theorien sollte B1757-24 ein Alter
von etwa 16.000 Jahren haben - die Forscher fanden jedoch heraus, das er
vermutlich mindestens 40.000 Jahre, wenn nicht sogar 170.000 Jahre alt
ist.
"Das bedeutet, dass eine ganze Menge von dem, was wir über die
Physik von Neutronensterne und Pulsaren gewusst haben, möglicherweise
falsch sein könnte", erläutert Gaensler die Bedeutung der
Entdeckung. "Neutronensterne sind die dichtesten Objekte im Universum
und geben uns daher die Möglichkeit grundlegende Theorien über die
Beschaffenheit von Materie zu gewinnen. Allerdings hängt ein Großteil
dieser Theorien von einer korrekten Abschätzung des Alters ab. Unsere
Forschungen zeigen nun, dass diese Objekte vermutlich zehnmal älter sind
als bisher angenommen, so dass wir einiges neu durchdenken müssen."
Diese revolutionäre Erkenntnis gelang den beiden Forschern dank eines
15.000 Lichtjahre entfernten Pulsars, der mittlerweile den Ort, an dem er
durch eine mächtige Supernova-Explosion entstanden war, verlassen und
sogar die Überreste dieser Explosion hinter sich gelassen hat. Das
Problem war nun folgendes: Wenn der Pulsar innerhalb von 16.000 Jahren von
Zentrum der Explosion an seinen jetzigen Ort gewandert sein soll, muss er
eine Geschwindigkeit von über 1.500 Kilometern pro Sekunde haben, was
sehr schnell im Vergleich zu anderen Pulsaren wäre.
Gaensler und Frail verglichen nun aktuelle Aufnahmen der Region mit
Bildern, die das VLA 1993 gemacht hatte und konnten so die wirkliche
Geschwindigkeit bestimmen: Sie lag bei maximal etwa 500 Kilometern pro
Sekunde. "Das bedeutet, dass der Pulsar bedeutend länger gebraucht
hat, um an seine jetzige Position zu gelangen und somit viel älter ist
als wir angenommen haben", so Frail.
Bisher war das Alter von Pulsaren aus deren Rotationsperiode bestimmt
worden: Durch die Abstrahlung elektromagnetischer Wellen verliert der
Stern langsam an Energie, was dazu führt das er sich immer langsamer um
seine eigene Achse dreht. Anhand dieser Abnahme der Drehgeschwindigkeit
errechneten die Wissenschaftler ein "charakteristisches Alter"
für den Pulsar, was gemeinhin auch mit dem wirklichen Alter des drehenden
Neutronensterns gleichgesetzt wurde.
Dies dürfte sich nun angesichts der neuen Ergebnisse ändern: Wegen
des großen Unterschieds des "charakteristischen" und des durch
die VLA-Messungen bestimmten Alters meinte Frail: "Dieser Pulsar hat
uns in Bezug auf sein Alter belogen". Und dies könnte dazu führen,
dass die Wissenschaftler ihre Theorien noch einmal durchdenken müssen.
Doch nicht alle sind unglücklich über die Messungen: Wenn ein
Neutronenstern durch eine Supernova-Explosion entsteht - so eine andere
Theorie - dürfte er einen "Kick" erhalten, der ihn vom Ort der
Explosion wegschleudert. Ursache dafür ist, dass die Supernova-Explosion
nicht hundertprozentig symmetrisch abläuft. Allerdings war es für die
Theoretiker immer ein Problem die hohe Geschwindigkeit von B1757-24 auf
diese Weise zu erklären. Ihnen passt die langsamere Geschwindigkeit da
deutlich besser ins Konzept.