Den meisten Menschen dürfte gar nichts aufgefallen sein, an
jenem 11. Mai 1999, doch für die Wissenschaft war dieser Tag ein
Highlight: Der Sonnenwind, ein ansonsten beständiger Teilchenstrom von
unserem Zentralgestirn, verschwand damals fast vollständig, wodurch sich
das Erdmagnetfeld auf seine hundertfache Größe ausbreiteten
konnte.
Für die Wissenschaftler, die sich mit der Sonne und ihren Einflüssen
auf die Erde beschäftigen, war der Tag im Mai ein wahrer Glückstag: Die
Dichte des Sonnenwindes, also die Anzahl von Elektronen und Protonen, die
uns von der Sonne erreichen, sank damals auf 1/50 der normalen Dichte. Und
die Geschwindigkeit dieses verbleibenden Windes reduzierte sich um die
Hälfte.
Das hatte auch gravierende Auswirkungen auf das Magnetfeld der Erde,
dessen Querschnitt normalerweise aussieht wie ein halbierter Apfel mit
einem Schweif auf der Seite des Planeten, der gerade von der Sonne
abgewandt ist. Am 11. Mai allerdings blähte sich das Erdmagnetfeld so
weit auf, dass es fast den Mond erreichte. "Das war ein sehr seltenes
Ereignis, das man bisher nur wenige Male beobachtet hat, seit der
Sonnenwind mit Satelliten gemessen wird", unterstreicht Daniel Baker,
Direktor des Labors für Atmosphären- und Raumfahrtphysik an der
Universität von Colorado in Boulder. Normalerweise würde nämlich
der Sonnenwind das Erdmagnetfeld in seine Form zwingen, doch durch das
Ausbleiben dieses Teilchenstroms konnte es sich kurzzeitig so dramatisch
ausdehnen. "Normalerweise reicht das Magnetfeld der Erde etwa 65.000
Kilometer in Richtung der Sonne", so Baker, "am 11. Mai waren es
über 300.000 Kilometer.&puot;
Das Ausbleiben des Sonnenwindes verhalf auch anderen Wissenschaftlern
zu ganz neuen Einsichten: "Dieses Ereignis hat uns ein Fenster
geöffnet, die Korona der Sonne direkt zu beobachten", sagte Keith
Ogilvie vom NASA Goddard Space Flight Center. So registrierten an
diesem Tag diverse Satelliten Elektronen, deren Eigenschaften exakt denen
von Elektronen aus der Korona der Sonne glichen. Die Wissenschaftler gehen
nun davon aus, dass sie direkte "Proben" von der Sonne waren.
"Dieser Elektronenstrom aus der Korona wurde nicht gestört oder
gestreut wie das unter normalen Bedingungen passiert und die Elektronen
kamen hier fast genauso an, wie sie die Sonne verlassen haben."
Für die Wissenschaft war der Tag, an dem der Sonnenwind verschwand,
somit eine einmalige Möglichkeit ihre Theorien über die Beeinflussung
von der Erde durch die Sonne - die sogenannte solar-terrestrische
Beziehung - zu testen: "Das war schon eine einzigartige Chance unsere
Ideen darüber zu überprüfen", so Ogilvie. "Wir glauben
mittlerweile, dass wir anfangen zu verstehen, wie die
Erde-Sonne-Verbindung funktioniert."