Aristoteles: 12 Sterne im Bären

ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

ich bin eher zufällig auf folgende Passage in Aristoteles Metaphysik, 14.Buch, Kapitel 6, gestossen:

Was ist aber der Grund, daß dies als Ursache gelten soll? Es gibt sieben Vokale, sieben Saiten oder Harmonietöne auf dem Instrument, sieben Plejaden; mit sieben Jahren wechseln die Kinder, manche wenigstens, manche auch nicht, die Zähne; sieben Fürsten zogen gen Theben. Ist nun die Eigentümlichkeit dieser Zahl schuld daran, daß es gerade sieben waren, oder daß die Plejade aus sieben Sternen besteht? oder war es nicht vielmehr die Zahl der Tore oder sonst eine andere Ursache, die es bewirkte? Wir zählen in der Plejade sieben, im Bären aber zwölf Sterne, und andere zählen noch mehr.

z.B. http://books.google.ch/books?id=b5M...stoteles,+metaphysik&cd=1#v=onepage&q&f=false, Seiten 300 und 301

schönere Darstellung: http://www.aristoteles-heute.de/sein_a/sein_A/aristoteles/metaphysik/ftp/Metaphysik1406.htm, 3.Absatz

Die Frage nach der siebten Plejade - bekanntlich sieht man ja derer 6 oder 9 - ist ein Klassiker, und schon im Altertum wurden Ideen verworfen, dass die 7.Plejade vor lauter Gram ihre Schwestern verlassen habe und sich zum mittleren Stern des Grossen Wagen gesellt habe - dieser Stern ist ja auch prominent: Es ist der Augenprüfstern Alcor.

Im Falle der Plejaden war diese 7 sogar namensgebend, denn die Plejaden heissen ja auch "Siebengestirn".

Nun aber gibt es gemäss Aristoteles gleich 5 weitere Wagensterne.


Hat jemand eine Idee, um welche Sterne es sich dabei handeln könnte ?

Naheliegend wäre, aufgrund der Helligkeit - die Wagensterne umfassen die 6 hellsten Sterne des Grossen Wagen (Alioth, Dubhe, Benetnash, Mizar, Merak und Phekda) sowie seinen 11.hellsten Stern (Megrez) - diejenigen Sterne dazuzuzählen, die helligkeitsmässig dazwischenliegen, also psi UMa, mue UMa, iota UMa und theta UMa.

Fehlt noch einer ...

Von blossem Auge kann man bei nur einer Zehntel Grössenordnung Unterschied kaum erkennen, dass die Sterne omikron UMa, lamda UMa und nue UMa weniger hell als Megrez sind. Oder man hat den prominenten Augenprüfstern Alcor als 12.Stern dazugezählt, wobei der ja womöglich auch "ortsfremd" nach wie vor die 7.Plejade darstellte.

Im Text ist auch nur die Rede vom "Bären" und damals war der Himmelsnordpol nicht beim heutigen Polarstern, sondern näher am gleichhellen Stern Kochab (beta UMi). Möglicherweise hat man also die drei hellsten Sterne des Kleinen Wagen, die allesamt helligkeitsmässig bei den Wagensternen liegen, konkret also Alruccabah (heutiger Polarstern), Kochab und Pherkad mit dazugezählt; dazu noch den Augenprüfstern Alcor (immerhin zwanzighellster Stern des Grossen Bären) sowie Cor Caroli unter der Deichsel des Grossen Wagen - letzterer ist heller als psi UMa und auch einfacher positioniert - so käme man auch auf 12 Sterne. Oder statt einem der beiden letzten den damals vielleicht noch prominenten früheren Polarstern Thuban, der (deswegen ?) bis heute den Namen "alpha" Draconis hat, obgleich er nur der achthellste Drachenstern ist. Da würde sich als zwölfter "Bärenstern" fast eher der zweithellste Drachenstern eta Dra anbieten, den man in dreifacher Verlängerung der beiden hinteren Kastensterne des Kleinen Wagen "Richtung Wega" findet und der heller als Pherkad ist. In dessen Nähe stehen übrigens auch noch zeta Dra und iota Dra, beide immerhin noch etwas heller als der schwächste Wagenstern Megrez.


Alles Spekulationen - hat jemand von Euch eine Idee oder noch besser eine Quelle ?


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

ich habe mir das ganze nun einmal ein bisschen genauer angeschaut.

Da Aristoteles von der Vorstellung (ich vermute, seiner Zeit) ausging, dass es sich um einen "Bären" handelt, dürfte ein figürlicher Ansatz naheliegend sein. Ein solcher würde in der Deichsel den Schwanz eines Bären darstellen und dann drumherum mit den Kastensternen des Grossen Wagen einen Bären zu konstruieren versuchen.


Auch die Eigennamen der Sterne können hier weiterhelfen:

Merak (hinterer unterer Kastenstern) bedeutet "Lende"
Phekda (vorderer unterer Kastenstern) bedeutet "Schenkel"
Megrez (vorderer oberer Kastenstern) bedeutet "Schwanzansatz"

Vorsicht bei der Wagenbezeichnung: "hinten" ist weiter vorne am Bären, "vorne" ist weiter hinten am Bären.

Zudem habe ich noch zwei weitere Eigennamen finden können:
- Muscida (omikron UMa) bedeutet "Hundeschnauze"; das würde figürlich in etwa bei der Bärenschnauze liegen
- Al Haud (theta UMa) bedeutet "Becken"; auch das würde figürlich gut passen.

Damit wären doch schon einmal zwei weitere "Bärensterne" gefunden, zumal beide heller oder wenigstens ~ gleich hell wie Megrez sind.

Figürlich sehr gut passen würde auch der hellste Bärenstern, der nicht im Wagen steht, also psi UMa; zu ihm konnte ich aber noch keinen Eigennamen finden. Ich habe zuhause ein Buch über arabische Eigennamen, vielleicht werde ich da fündig.


Nun fehlen beim figürlichen Ansatz also noch zwei Sterne ...


Zuerst aber ein kleiner Exkurs:
Ganz hübsch sind nämlich diese 3 nahe beieinander stehenden "Doppelsterne" an der unteren Bärenkante, also

- nue UMa und xi UMa
- lamda UMa und mue UMa
- iota und kappa UMa


Diese stehen ganz in der Nähe des Kopfes des Löwen und markieren die Fussspuren der fliehenden Gazelle und heissen entsprechend

"1.Sprung der Gazelle"
"2.Sprung der Gazelle"
"3.Sprung der Gazelle"

Siehe hierzu:
http://en.wikipedia.org/wiki/Ursa_Major, Abschnitt "Asterisms" und
http://whassupinthemilkyway.blogspot.com/2009/05/three-leaps-of-gazelle.html

Das ist eine andere Mythologie, aber diese 3 "Doppelsterne" in der Nähe des Bären sind sicherlich auch den Beobachtern zur Zeit Aristoteles' aufgefallen.

Während der erste Sprung etwas abseits der figürlichen Darstellung eines dortigen Bären ist und auch helligkeitsmässig sichtbar schwächer als Megrez ist, sind die anderen beiden figürlich gut in den Bären einbettbar. Im Altertum hat man nahestehende Sterne öfters gemeinsam gezählt und durch eine Positionsbezeichnung näher angegeben. Dies ist beispielsweise beim Kopf des Löwen der Fall, da gibt es auch einen Stern nördlich (Ras Elased borealis) und einen südlich des Kopfes des Löwen (Ras Elased australis). Bei den drei Gazellensprüngen ist das auch so.

Das könnte dafür sprechen, dass der Augenprüfstern unmittelbar neben Mizar nicht mitgezählt wird und dass der zweite und der dritte Sprung der Gazelle, welche figürlich im Bären als "Tatzen" gut einbindbar wären, dann den vierten und fünften zusätzlichen Bärenstern darstellen könnten.

Kommt hinzu, dass Tania Australis (mue UMa; vom 2.Gazellensprung) der 8.hellste und Talitha Borealis (iota UMa; vom 3.Gazellensprung) der 9.hellste Stern im Grossen Bären ist.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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StarWolf

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Nur so als Frage:

Warum sprechen alle vom grossen und kleinen Wagen, wenn das Sternbild doch eigentlich Bär heisst (Ursa Maior, Ursa Minor) :confused:

Man sollte die Dinge doch beim Namen nennen.

lg
SW
 

ralfkannenberg

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Nur so als Frage:

Warum sprechen alle vom grossen und kleinen Wagen, wenn das Sternbild doch eigentlich Bär heisst (Ursa Maior, Ursa Minor) :confused:

Man sollte die Dinge doch beim Namen nennen.

Hallo StarWolf,

streng genommen ist es nicht einmal ein "Bär", sondern eine "Bärin" - Ursa ist ja weiblich.

Mythologisch gesehen ist es eigentlich eine "grössere Bärin" und ein "kleinerer Bär", nämlich der Sohn der Nymphe Callisto, mit der Zeus seine Frau Hera betrogen und einen Sohn gezeugt hat, worauf sie zur Strafe in eine Bärin verwandelt wurde. Hera hegte nämlich den bösen Plan, dass der Sohn - ein Jäger - seine eigene Mutter erlegen sollte und er hatte sie schon im Visier, doch im letzten Moment hat Zeus seinen Sohn ebenfalls in einen Bären verwandelt und seine vormalige Geliebte gerettet und seinen Sohn vor der Schmach, seine eigene Mutter getötet zu haben, bewahrt. Danach packte er beide an ihren Schwänzen und schleuderte sie gen Himmel, was ihre für Bären atypisch langen Schwänze erklärt.


Der "Grosse Wagen" indes beschreibt nur die 7 Wagensterne - möglicherweise noch den Augenprüfstern, der "Kleine Wagen" und der "Kleine Bär" sind meines Wissens synonym, wobei man hier diese Unterscheidung in Wagensterne und übrige Sterne ebenfalls tätigen könnte.

Um die Verwirrung zu vervollständigen: Aristoteles schreibt vom "Bären", welcher 12 Sterne umfasst.


Letztlich halte ich die Unterscheidung in "Wagen" und "Bär/Bärin" für gerechtfertigt, da die beiden Wagen sehr figürlich sind, was man von den beiden Bären nur sehr eingeschränkt sagen kann.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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ralfkannenberg

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Ganz hübsch sind nämlich diese 3 nahe beieinander stehenden "Doppelsterne" an der unteren Bärenkante, also

- nue UMa und xi UMa
- lamda UMa und mue UMa
- iota und kappa UMa


Diese stehen ganz in der Nähe des Kopfes des Löwen und markieren die Fussspuren der fliehenden Gazelle und heissen entsprechend

"1.Sprung der Gazelle"
"2.Sprung der Gazelle"
"3.Sprung der Gazelle"

Entschuldigung, ich habe vergessen, die arabischen Sternnamen zu nennen:

nue UMa und xi UMa: Alula Borealis und Alula Australis, also "1.Sprung der Gazelle", nördlicher Stern und südlicher Stern

lamda UMa und mue UMa: Tania Borealis und Tania Australis, also "2.Sprung der Gazelle" nördlicher Stern und südlicher Stern

iota und kappa UMa: Talitha Borealis und Talitha Australis, also "3.Sprung der Gazelle" nördlicher Stern und südlicher Stern


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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